Nachdem vor kurzem eine britische Untersuchung nachgewiesen haben will, dass es zwischen Bioprodukten und konventionellen Lebensmitteln kaum Unterschiede in der gesundheitlichen Wirkung gibt, erbrachte nun eine deutsche Langzeitstudie andere Ergebnisse. Bioprodukte sind demnach gesünder als konventionell erzeugte Lebensmittel. Sie enthalten vor allem mehr Nährstoffe, berichtet die Austria Presse Agentur (APA).
Die fünfjährige Studie des deutschen Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) und des Deutschen Naturschutzrings (DNR) weist nach, dass etwa Salat, Tomaten, Kartoffeln oder Kohl vom Biobauern deutlich mehr Vitamine, bioaktive Stoffe und so genannte Antioxidantien enthielten, teilten die Forscher mit.
Organische Düngung
Hauptverantwortlich für die besseren Nährwerte bei Ökoprodukten ist der Studie zufolge die organische Düngung im Biolandbau. Die erhöht gegenüber der konventionellen mineralischen Düngung nicht nur den Gehalt an bioaktiven Stoffen, sondern beeinflusst auch die Eiweißprofile und die Konzentration von Stoffen, die die Abwehrkräfte von Pflanzen stärken. So sorge etwa bei Biomilch die Fütterung der Tiere mit Gräsern und Kräutern für eine andere Zusammensetzung der Milch. Dadurch ist sie für Menschen mit Cholesterinproblemen besser geeignet als konventionelle Milch.
Britische Studie kritisiert
Vor einigen Wochen hatte eine Studie der britischen Lebensmittelbehörde FSA ergeben, dass Biolebensmittel nicht gesünder als konventionelle Produkte sind. Diese Untersuchung wird von FiBL und DNR scharf kritisiert: Bei dieser Studie handle es sich um eine Metastudie, bei der die britischen Wissenschaftler 162 Einzeluntersuchungen aus den letzten 50 Jahren ausgewertet hätten. Dabei seien bei der FSA-Studie etwa Untersuchungen ausgeschlossen worden, die den höheren Gehalt von bioaktiven Stoffen bei Bio-Obst belegt hätten. Außerdem habe die FSA umgekehrt „problematische Rückstände von Pestiziden, Wachstumsregulatoren, Schwermetallen und Nitraten“ bei konventionellem Anbau erst gar nicht berücksichtigt. „Dabei sind die negativen chronischen Wirkungen bereits geringer Konzentrationen dieser Schadstoffe für Kleinkinder längst bekannt“, so die deutschen Studienautoren. Biolandwirtschaft ist an sich nicht vorrangig auf gesündere Ernährung, sondern auf eine Umwelt- und Ressourcenschonung ausgelegt.
Kein Verlust an Nährwert
Oft schlagen Studien Alarm, dass Obst und Gemüse über die Jahrzehnte an Nährwert und Vitaminen verloren hätten. Deshalb könne der tägliche Grundbedarf nicht mehr gedeckt werden. Da würden Nahrungsmittelergänzungen Abhilfe schaffen. Häufig stehen Unternehmen, die solche Präparate herstellen hinter solchen Studien, berichtet der ORF. „Wenn wir zu wenige Vitamine und Nährstoffe aufnehmen, liegt das schlicht und einfach daran, dass die Ernährung nicht ausgewogen ist und wir zu wenig Obst und Gemüse essen“, so Ernährungswissenschaftlerin Petra Rust von der Universität Wien im Interview mit dem ORF. „Die Österreicher nehmen zu wenige Ballaststoffe auf. Das könnte man mit Getreideprodukten und fünf Portionen – jeweils eine Handvoll – Obst und Gemüse pro Tag leicht ändern“, so die Wissenschaftlerin. Nahrungsergänzungsmittel können laut Rust bei Risikogruppen sinnvoll sein, etwa bei Schwangeren und älteren Menschen, deren Aufnahme von Nährstoffen geringer ist. Im Normalfall sei eine zusätzliche Vitamin- und Nährstoffaufnahme nicht nötig, meint Rust.
Darüber hinaus stellt der Deutsche Ernährungsbericht 2004 anhand von Nährwerttabellen zwischen 1954 und 2000 fest, dass der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen in den vergangenen Jahrzehnten konstant geblieben ist.
Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe
Was natürliches Obst und Gemüse so besonders macht, sind die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe. Diese Stoffe werden von der Pflanze zum Schutz vor Krankheiten und Schädlingen gebildet. Ein solcher sekundärer Pflanzeninhaltsstoff ist etwa das Carotinoid, das zum Beispiel den Paradeisern ihre Röte gibt.
„Die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe wirken in einem natürlichen Verbund. Niemand kennt die Dosis und die Auswirkungen, wenn man einen dieser Stoffe isoliert und in größeren Mengen etwa in Form von Pillen zu sich nimmt“, gibt Emmerich Berghofer, Leiter der Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur, gegenüber dem ORF zu bedenken.
Höherer Vitamingehalt in Bioprodukten ist umstritten
Ob allerdings der Vitamingehalt in Bioprodukten höher ist als bei konventionellen Erzeugnissen, ist in der Wissenschaft umstritten. Berghofer liefert allerdings ein Argument, dass der biologische Landbau gesündere Produkte hervorbringen kann: Die Pflanze hat aufgrund des geringeren Einsatzes von Dünger mehr Stress. „Die Pflanze muss sich wehren und produziert mehr sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe“, so der Experte zum ORF.
Weniger Vitamine durch unsachgemäße Lagerung
Obst und Gemüse können auch nach der Ernte noch nachreifen. Lagern sie allerdings zu lange, werden viele Nährstoffe und Vitamine wieder abgebaut, so der Wissenschaftler. Erbsen verlieren bereits innerhalb eines Tages nach der Ernte 50 Prozent ihres Vitamingehalts – vor allem wenn sie ungekühlt gelagert werden. Durch das sofortige Einfrieren bleiben häufiger mehr gesunde Inhaltsstoffe im Lebensmittel enthalten als bei zu lange gelagertem Obst und Gemüse. Die Angst vor Tiefkühlgemüse sei daher unbegründet, so die Ernährungswissenschaftlerin Rust.
Mag. Christian Boukal
August 2009
Foto: APA