Sie sind nicht nur unangenehm, sondern können auch peinlich werden. Die Rede ist von Blähungen. Bis zu einem gewissen Ausmaß sind sie ganz normal. In vielen Fällen sind unverdauliche Ballaststoffe in der Nahrung dafür verantwortlich.
Andere Länder, andere Sitten, anderes Essen: Äße ein an Weißbrot gewöhnter Franzose einen Kohleintopf, hätte das womöglich unangenehme Folgen. In seinem Magen und Darm könnte es zu rumoren beginnen, der Bauch sich aufblähen und unerwünschte Gase ihren Weg ins Freie suchen. Das kann besonders dann unangenehm werden, wenn die Darmwinde auch noch übel riechen. Doch warum kommt es überhaupt zu Blähungen? Dr. Thomas Hinterleitner, Facharzt für innere Medizin in Graz, weiß Antworten darauf: „Es gibt Nahrungsbestandteile, die vom Darm und seinen Sekreten nicht verdaubar sind, wie zum Beispiel bestimmte Ballaststoffe und Zucker. Gelangen sie in den Dickdarm, entstehen bei ihrer Zerlegung durch die Darmbakterien Gase. Dazu zählen geruchlose wie Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan oder aber gasförmige Schwefelverbindungen. Letztere sind für den Geruch verantwortlich. Die meisten dieser Gase werden weiterverdaut oder gehen direkt über die Schleimhaut des Dickdarms ins Blut über. Bilden sich aber zu viele Gase, gelangen sie über den After nach draußen.“ Wer sich ballaststoffreich ernährt, hat daher meist auch vermehrt Blähungen.
Reizdarm
Entscheidend für das „Gasklima“ sind die individuelle Zusammensetzung der Bakterienflora im Dickdarm und die Tatsache, ob man bestimmtes Essen gewohnt ist oder nicht. Das ist auch der Grund, warum einige Menschen einen Kohleintopf sehr gut vertragen, andere wiederum mit Darmwinden darauf reagieren. Dabei sind Blähungen – sie werden in der medizinischen Fachsprache auch als Flatulenz bezeichnet – bis zu einer gewissen Häufigkeit ganz normal. Diese liegt laut der Deutschen Gastro-Liga bei zehn bis 20 Darmwinden pro Tag. „In den meisten Fällen entstehen sie, wenn man entweder zu viel von etwas isst oder wenn man etwas zu sich nimmt, das nicht verdaut werden kann“, bringt es Hinterleitner auf den Punkt. Flatulenzen können aber auch im Zuge des Reizdarmsyndroms auftreten. Dabei handelt es sich um länger als drei Monate andauernde Beschwerden. Neben Bauchschmerzen kann es auch zu Blähungen oder Veränderungen des Stuhlgangs kommen. Bereits normale Verdauungsvorgänge werden dabei von den Betroffenen als schmerzhaft erlebt.
Auch bestimmte Unverträglichkeiten können für Blähungen verantwortlich sein. Hinter der Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) beispielsweise steckt ein genetisch bedingter Mangel an dem Enzym Laktase, das den Milchzucker spaltet. Der nicht oder unzureichend gespaltene Zucker wird im Dickdarm bakteriell abgebaut. Dabei kann es zu Beschwerden wie Blähungen kommen. Diese sind auch bei der Fruktoseunverträglichkeit möglich. Betroffene können den etwa in Apfelsaft, Obst oder Honig enthaltenen Fruchtzucker nicht ausreichend verdauen. Erst im Dickdarm wird er durch Bakterien unter Gasbildung abgebaut. „Aber auch eine langjährige chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung kann zu Blähungen führen, indem Fette unverdaut in den Dickdarm gelangen“, sagt Hinterleitner, und er ergänzt: „Zudem geraten beim Verlust von Darmzotten – wie zum Beispiel bei einer chronischen Entzündung des Dünndarms aufgrund einer Allergie gegen ein Weizeneiweiß, man spricht von der Zöliakie – Nahrungsbestandteile in den Dickdarm und können vermehrt Blähungen verursachen. Außerdem leiden Menschen, bei denen Teile des Dünndarms entfernt wurden, häufiger darunter.“
Blähungen sind ein Tabuthema. Vielen Betroffenen fällt es daher nicht leicht, mit einem Arzt über ihr Problem zu sprechen. Insbesondere, wenn weitere Beschwerden wie beispielsweise Schmerzen, Unregelmäßigkeiten beim Stuhlgang oder ein geblähter Bauch auftreten, ist das allerdings anzuraten. „Schließlich kann es auch zu Atem- oder Herzproblemen kommen, wenn der aufgeblähte Dickdarm nach oben drückt“, erklärt Professor Hinterleitner. Was aber hilft nun gegen Flatulenzen? Wichtig ist, dass Betroffene ihren Lebensstil ändern und die Ernährung umstellen. Statt weniger großer und deftiger Mahlzeiten empfiehlt es sich, mehrere kleinere zu sich zu nehmen. Sinnvoll ist zudem, nicht hastig zu essen, sondern die Nahrung gründlich zu kauen. Auch kann sich starker Stress im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlagen. Es stehen aber auch Medikamente zur Verfügung. Diese Entschäumer lösen die Gasansammlung im Darm auf und unterstützen die natürlichen Ausscheidungswege. Zu guter Letzt bietet auch die Pflanzenwelt Abhilfe. Einige pflanzliche Arzneimittel – beispielsweise Tees aus Anis, Kümmel oder Fenchel – können ebenfalls Blähungen mildern.
MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger
September 2013
Foto: shutterstock, privat
Blähungen bei Säuglingen
Viele Babys leiden in den ersten Lebensmonaten vermehrt unter Blähungen, der Bauch ist gespannt und fühlt sich hart an. Fallen die Schmerzen besonders heftig aus, spricht man von einer Dreimonatskolik. Man vermutet hinter den Beschwerden, dass sich die Darmflora der Kleinen erst noch entwickeln muss, Luft beim Trinken verschluckt wird oder die Babys unzureichend aufstoßen. Abhilfe können leichte Bauchmassagen oder Tees aus Anis, Fenchel oder Kümmel schaffen. Stillende Mütter sollten auf Kuhmilch und blähende Lebensmittel verzichten.
Kommentar
„Das Ausmaß von Blähungen ist subjektiv verschieden. Die meisten Menschen, die unter Flatulenzen leiden, ernähren sich extrem. Sie sollten bei bestimmten Nahrungsmitteln die Menge vermindern. Niemand sollte sich scheuen, einen Arzt aufzusuchen.“
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hinterleitner
Facharzt für innere Medizin sowie für Gastroenterologie und Hepatologie, Graz