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Männer sterben, Frauen leiden

Männer sterben Frauen leidenDas „männliche“ Leben ist riskanter. Die Lebenserwartung österreichischer Männer liegt um mehr als fünf Jahre unter jener der Frauen. Doch Mann holt auf – weil Frauen immer ungesünder leben.

Leider gibt es die Studie nicht wirklich, obwohl sie seit Jahren durch Boulevardmedien geistert: Zehn Minuten auf weibliche Brüste zu schauen sei so gesund wie eine halbe Stunde Sport. Das hätten deutsche Wissenschaftler herausgefunden und im New England Journal of Medicine publiziert – ein Hoax. Im Gegensatz zu einer Studie, die sagt: Mönche leben länger als Männer in freier Wildbahn. Zölibat oder Dekolleté – die Rezepte zur Verlängerung des Lebens sind ebenso vielfältig wie widersprüchlich. Weniger Alkohol, mehr Rotwein, dauerndes Hungern, maßvolles Schlemmen, keine Zigaretten, kein Stress, kein Sex, mehr Sex. Sicher ist nur eines: Männer sterben früher als Frauen, und zwar in allen Ländern der Welt. Die Unterschiede liegen zwischen 13 Jahren in Russland, wo der Wodka die Sense unter den Männern schwingt, und 4,5 Jahren in Island. Warum ist das so?

„Männer verschenken Lebenszeit durch ihre Lebensführung“, sagt Marc Luy vom Vienna Institute of Demography. Er ist der Autor der mittlerweile berühmten Klosterstudie, die nachweist, dass Mönche beinahe so alt werden wie Nonnen – weil in Klöstern so gut wie alle Versuchungen wegfallen, denen sich die Mannsbilder „draußen“ hingeben. Es bleiben marginale ein bis zwei Jahre Unterschied. Die sind vermutlich – letzte Beweise fehlen – durch genetische und hormonelle Unterschiede zu erklären. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer dagegen nur eines. Wichtige Informationen zur Immunabwehr liegen aber just auf dem X-Chromosom. Zudem sind Frauen bis zur Menopause durch ihre Hormone besser vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen geschützt.

Den größten Unterschied macht eindeutig das „männliche“ Leben. Männer trinken mehr, nehmen mehr Drogen, gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen, fahren riskanter, verunglücken öfter bei Freizeit- und Arbeitsunfällen und begehen öfter Selbstmord. Allein das Rauchen erklärt gut 50 Prozent des Unterschiedes in der Lebenserwartung.

Kurioserweise fühlen sich Männer dabei aber gesünder als Frauen. Nur ein scheinbarer Widerspruch, wie Marc Luy vermutet: „Männer bekommen eher Krankheiten, die schneller zum Tod führen, während Frauen eher mit chronischen Krankheiten länger leiden.“ Zudem hören Frauen aufmerksamer und sensibler in ihren Körper hinein, während sich Männer erst als krank empfinden, wenn sei schon am Tropf hängen.

Trotzdem wird seit einigen Jahren der Unterschied bei der Lebenserwartung kleiner. „Das Risikoverhalten der Frauen nimmt zu. Wir gehen von einem emanzipatorischen Nachahmungseffekt aus“, sagt Rudolf Schoberberger vom Zentrum für Public Health der Uni Wien. Haben 1970 39 Prozent der Männer und 10 Prozent der Frauen geraucht, pofeln jetzt zwar nur mehr 27 Prozent der Männer, aber schon 19 Prozent der Frauen.

Gesundheitserwartung

„Das letzte Jahrhundert war die Ära des Rauchens und trotzdem ist die Lebenserwartung gestiegen“, sagt Marc Luy. 2011 lag die Lebenserwartung für Männer bei 78,1 Jahren und für Frauen bei 83,4 Jahren. Heute geborene Frauen haben beste Chancen, den 100er zu erreichen. Doch werden sie ihr Leben genießen können – geplagt von Diabetes, Osteoporose oder Demenz? Bloß den Tod hinauszuzögern, kann nicht alleiniges Ziel der Medizin sein. Die „Gesundheitserwartung“ ist das neue Ziel. Da scheint sich das Blatt zugunsten der Männer zu wenden. 2006 konnte sich eine Frau mit 65 auf 20 weitere Jahre freuen, davon aber nur 44 Prozent bei guter Gesundheit. Gleich alten Männern stehen mit 65 zwar nur 17 Jahre bevor, davon aber 51 Prozent gesund und fidel.

Fritz Kalteis
Jänner 2013


Foto: Bilderbox, privat

Kommentar

Männer sterben Frauen leiden„Die Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen sind zu etwa 25 Prozent genetisch bedingt. Ein weiteres Viertel machen Umwelteinflüsse aus. 50 Prozent gehen auf den Lebensstil zurück.“
Dr. Marc Luy
Vienna Institute of Demography

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020