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Trauer und Trauerarbeit

Trauer und TrauerarbeitAllerheiligen ist die Zeit des Gedenkens an die Verstorbenen. Für einige Menschen ruft der Gang zum Friedhof jedoch unangenehme Gefühle hervor. Trauer ist allerdings ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, auch wenn in der heutigen Gesellschaft dafür nur wenig Platz eingeräumt wird, erklärt Mag. Andrea Schwarz, Klinische und Gesundheitspsychologin an der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Linz.

 

„Krankheiten werden bekämpft, die Sterblichkeit in der Bevölkerung sinkt und wenn gestorben wird, dann meist abseits der Öffentlichkeit im Spital. Das Sterben ist eher ein Tabuthema geworden“, so Schwarz. Trauer ist jedoch keine Krankheit, vielmehr ist sie ein ständiger Begleiter in unserem Leben. So trauern wir beispielsweise auch über denVerlust von bestimmten Gegenständen oder des geliebten Haustieres. Während das Abschied nehmen in diesen Fällen meistens sehr gut gelingt, bereitet der Verlust eines nahe stehenden Menschen oftmals unüberwindbare Probleme.

 

 

Vielfältige Gefühle der Trauer

Unter Trauer versteht man psychische Reaktionen, die nach dem Verlust eines geliebten Menschen auftreten können. Die damit verbundenen Gefühle sind vielfältig und reichen von Einsamkeit und Hilflosigkeit bis zu Wut oder Angst. Trauer kann sich jedoch auch auf den Körper auswirken. Müdigkeit, Magenschmerzen oder Schüttelfrost treten auf.

 

Drei Phasen der Trauer

Die Trauerarbeit verläuft in verschiedenen Phasen, die bei jedem Menschen in Dauer und Intensität unterschiedlich sind. Auch können sich die einzelnen Phasen vermischen.

  • Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens: „Der beziehungsweise die Betroffene hat die Todesnachricht erhalten, kann sie aber gefühlsmäßig noch nicht nachvollziehen“, erklärt Schwarz. Die Phase ist durch einenGefühlsschock gekennzeichnet. Der Tod wird nicht nur verleugnet, Betroffene fühlen sich häufig auch benommen und wie in Trance.
  • Phase der aufbrechenden Emotionen: Betroffene spüren in dieser Phase den vollen Schmerz; der Körper ist aus dem Gleichgewicht und das Leben „draußen“ erscheint den Trauernden wie in einem Film. „Dies ist die schmerzlichste und schwierigste Phase der Trauerbewältigung. Sie kann zwei Jahre und länger anhalten“, so die Psychologin.
  • Phase der Neuorientierung und des Neubeginns: „Man fängt  langsam wieder an, sich nach außen zu orientieren und der Körper gelangt wieder zu seinem normalen Lebensrhythmus.“Zudem denken Trauernde nicht mehr ununterbrochen an den Verlust, erklärt Schwarz.

 

 

Rituale helfen

Rituale stellen in der Zeit der Trauer eine wichtige Möglichkeit dar, mit den Geschehnissen besser umzugehen, denn so Schwarz „Rituale markieren Wechsel von deralten in eine neue Situation. Zudem erlauben und steuern sie Emotionen.“ Der Leichenschmaus oder die Nachtwache bieten die Möglichkeit, Erinnerungen auszutauschen und gemeinsam Abschied zu nehmen, und „die christlichen Feiertage wie Allerheiligen und Allerseelen stellen einen wichtigen und genau umschriebenen Handlungsablauf im Umgang mit Vergänglichkeit und Abschied nehmen dar.“

 

Allerdings sind auch persönliche Rituale wie das Grab zu besuchen, eine Kerze anzuzünden, einen Brief an die verstorbene Person zu schreiben oder ein Bild zu malen, hilfreich. Wichtig ist es zudem, weiterhin über den Verstorbenen zu sprechen, was man an ihm mochte oder was einem fehlt. Auch externe Hilfsangebote etwa in Form von Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen stellen eine wichtige Unterstützung bei der Trauerverarbeitung dar.

 

Wann sollte man professionelle Hilfe aufsuchen?

Schwarz erklärt: „Ab wann Trauer pathologisch ist, lässt sich nicht genau festlegen. Das ‚Trauerjahr’ kann hier als Richtwert gelten, da man ein Jahr Festtage, Jahreszeiten und besondere familiäre Feiertage ohne den Verstorbenen durchlebt hat. Üblicherweise werden spätere Jahre leichter, doch die Trauer wird oft erst nach einer langen Zeit abgeschlossen.“ Wollen Betroffene auch nach langer Zeit der Trauer noch immer nicht am Leben teilnehmen oder wenn sich psychische Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen und Süchte entwickeln oder gar Selbstmordgedanken geäußert werden, sollte unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

 

Wie soll man mit Trauernden umgehen?

Grundsätzlich gilt: Je offener und aktiver alle Beteiligten mit dem Verlust umgehen, desto besser gelingt die Verarbeitung! Für Freunde und Bekannte ist es deshalb wichtig, dass sie dem Trauernden nicht aus dem Weg gehen, denn: „Nichts ist schlimmer für Hinterbliebene als das Gefühl, gemieden zu werden“, so Schwarz. Zudem rät die Psychologin: „Kümmern Sie sich regelmäßig um den Betroffenen, vor allem zu Zeiten, die mit dem Verstorbenen verbunden sind wie der Geburtstag, Hochzeitstag oder Todestag. Schenken Sie dem Angehörigen auch nach langer Zeit Ihr Ohr und Ihre Nähe. Trauernde haben häufig noch Jahre nach dem Tod des Angehörigen das Bedürfnis, über den Verlust zu sprechen.“

 

Mag. Birgit Koxeder
Oktober 2008

Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020