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Traurigkeit ist noch keine Depression

Traurigkeit ist noch keine DepressionWenn im Herbst die Tage kürzer und die Stunden im Freien rar werden weicht bei vielen Menschen die gute Laune einer traurig-melancholischen Stimmung. Kommen dann noch Ärger in der Arbeit, Streit mit dem Partner oder andere Probleme hinzu, kann das ganze Leben sinnlos erscheinen.

Schnell fällt dann der Satz: „Ich bin depressiv.“ Meist bezeichnen diese Worte jedoch keine echte Depression, sondern einen Zustand von Traurigkeit oder Verstimmung. 

Verstimmung

Die Begeisterung, die Freude, der Antrieb fehlt. Nichts macht einem in diesem Zustand Freude. „Häufig fehlt die Orientierung im Leben. Viele stellen sich die falsche Frage. Sie fragen: Was hat mein Leben für einen Sinn? Stattdessen könnte man fragen: Welchen Sinn gebe ich meinem Leben? Nur wir selbst können letztlich unserem Leben einen Sinn beimessen, dies sollte nicht primär von außen, etwa von Institutionen, der Gesellschaft oder vom Partner kommen“, so der Welser Psychotherapeut Wolfgang Pichler.
Oft leidet bei einer Verstimmung die Beziehung. Ein häufiges Verhaltensmuster: „Man weiß selbst nicht, was man will, man erwartet aber vom Partner, dass er die eigenen Wünsche errät und erfüllt“, sagt Pichler.
Treten diese Gefühle der Sinnlosigkeit, Verstimmtheit oder Traurigkeit anlassbezogen auf und ebbt dieser Zustand nach einiger Zeit wieder ab, so kann man in der Regel davon ausgehen, dass man (noch) in keine echte Depression geschlittert ist.
Denn eine Verstimmung ist noch keine Depression. Während eine Depression eine Gemütserkrankung ist, die fachgerecht behandelt werden sollte, bedarf es bei einer Verstimmung weder Medikamente noch Psychotherapie. „Wenn es in mir zwei, drei Tage recht düster aussieht, heißt das noch lange nicht, dass man krank ist. Fast alle Menschen haben schlechte Tage“, stellt Pichler fest.
 

Symptome einer Depression

Wie aber kann man erkennen, ob man nur verstimmt ist oder an einer echten Depression leidet? „Ein wichtiges Kriterium ist die Dauer des Zustandes. Die Grundsymptome einer Depression müssen mindestens 14 Tage lang anhalten“, sagt Pichler. Diese Grundsymptome sind: Verlust von Freude und Interesse, erhöhte Müdigkeit (Antriebslosigkeit) und eine hartnäckige, durch äußere Faktoren kaum zu beeinflussende gedrückte Grundstimmung.
Bei einer echten Depression treten zudem einige der folgenden zusätzlichen Symptome auf:

  • unproduktive Betriebsamkeit
  • Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen
  • Schlafstörungen
  • Morgentief
  • Schuld- und Versagensgefühle
  • Gefühl der Leere
  • Selbstmordgedanken, Selbstverletzungen
  • Verlust des sexuellen Verlangens
  • Appetitlosigkeit/Gewichtsverlust
  • körperliche Symptome wie Schmerzen, Schwindel, Schwitzen, Tinnitus
 

Behandlung bei einer echten Depression

Der erste Schritt bei Verdacht einer Depression ist der Besuch beim praktischen Arzt. Es gilt auszuschließen, dass keine organischen Ursachen für das Leiden vorliegen. „Eine Fehlfunktion der Schilddrüse kann manchmal die selben Symptome hervorrufen wie eine Depression“, erklärt Pichler. Sind körperliche Ursachen auszuschließen und findet der Arzt Hinweise auf eine Depression, dann kann eine Überweisung zum Facharzt für Psychiatrie sowie zum Psychotherapeuten sinnvoll sein.
„Rund 20 Prozent der Hausarztpatienten, die über chronische Schmerzen ohne erkennbare körperliche Ursache klagen, haben eine versteckte Depression“, warnt Pichler davor, diese Beschwerden nicht ernst zu nehmen. 

Fließende Grenzen

Die Grenze zwischen einer Verstimmtheit zu einer Depression ist fließend. Depressionen werden eingeteilt in leichte, mittlere und schwere Depressionen. Und der Unterschied zwischen einer leichten Depression und einer alltäglichen Verstimmung ist oft schwer zu erkennen. „Oft gibt der subjektive Leidensdruck, also die Schwere des Leidens, den Ausschlag, ob man bereits von einer leichten Depression ausgehen kann und diese also behandeln soll“, sagt Pichler.
 

Tipps gegen Stimmungstiefs

„Ein häufiges Merkmal von längeren Stimmungstiefs sowie auch bei Depressionen ist, dass man pausenlos grübelt. Man denkt viel zu viel nach. Nicht nur über die großen Dinge des Lebens, sondern häufig kreisen die Gedanken auch um Banalitäten des Alltags und man kann diese Gedanken kaum stoppen“, so Pichler. Dieser „permanente Grübelzwang“, verursacht oft einen hohen Leidensdruck.
Um aus einer Verstimmtheit – sei es einer Traurigkeit, einem dauerhaften Grübeln oder einer Niedergeschlagenheit – heraus zu kommen oder dieser vorzubeugen, empfiehlt der Therapeut:

  • Sprechen Sie über Ihr Problem. Sei es mit einem Freund, dem Partner oder mit einer anderen Vertrauensperson.
  • Raus in die Natur! Bewegung in der frischen Luft relativiert nicht selten Sorgen und Ängste. Man sollte mindestens einmal am Tag spazieren gehen, Sporteln oder einfach die Natur erleben.
  • Probieren Sie regelmäßig neue Dinge aus. Egal ob es nun das Kennenlernen von Menschen ist oder bloß ein neuer Weg, den man entlang spaziert. Auch Kleinigkeiten können das Gemüt erfreuen, wenn sie neue Impulse geben.
  • Gehen Sie öfters aus. Ins Kino, Theater, ins Kabarett.
  • Leben Sie leidenschaftlich mit allen Sinnen.
  • Bleiben Sie sexuell aktiv.
  • Gegen übermäßiges Grübeln: Meditation oder die Verwendung positiver Affirmationen können dabei helfen den Gedankenfluss stoppen oder zu reduzieren.
  • Und der wohl wichtigste Rat: Geben Sie dem Leben einen Sinn.

Dr. Thomas Hartl
November 2009


Foto: Bilderbox 

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020