Ein Herzinfarkt äußert sich bei Frauen häufig anders als bei Männern. Um im Notfall rasch handeln zu können, ist es wichtig, die Symptome zu kennen. Denn rasche Hilfe erhöht die Überlebenschancen.
Ein Mann schreit vor Schmerzen, greift sich an die Brust, sinkt zu Boden. Ein typisches Bild, wenn man an einen Herzinfarkt denkt. Doch Herzanfälle sind keine vornehmliche „Männersache“. Statistiken zeigen, dass die Fälle von Herzinfarkt bei Männern sinken und bei Frauen steigen.
Risikofaktoren
Beim Herzinfarkt verstopft ein Blutgerinnsel eines der drei Blut und Sauerstoff führenden Herzkranzgefäße. Die Versorgung des Herzens mit Blut und Sauerstoff wird damit unterbunden. Bleibt das Gefäß verschlossen, stirbt der betroffene Teil des Herzmuskels ab – der Herzinfarkt tritt ein. Bestimmte Risikofaktoren für einen Herzinfarkt sind bei Frauen und Männern gleich: Rauchen, Übergewicht, Diabetes, erhöhtes Cholesterin und hoher Blutdruck. Sie sind für den Großteil aller Infarkte ursächlich.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen beim Alter, in dem Herzinfarkte typischerweise auftreten. Frauen sind bis in die Wechseljahre relativ gut geschützt, Herzanfälle treten bei jüngeren Frauen relativ selten auf. Nach dem Wechsel nimmt der Schutz jedoch ab. Infarkte treten bei Frauen häufig ab einem Alter von etwa 60 Jahren auf, Männer sind oft früher betroffen. Der weibliche Infarkt fällt dafür statistisch gesehen schwerer aus.
Symptome bei weiblichem Infarkt
Die Symptome für einen Herzinfarkt sind bei Frauen häufig ganz andere als bei Männern. „Dieser Umstand blieb lange Zeit unbemerkt, weil die medizinischen Tests und Studien zumeist an Männern durchgeführt wurden“, erklärt Oberarzt Dr. Franz Gebetsberger, Kardiologe am LKH Steyr. In der Bevölkerung sind die Unterschiede weiterhin weitgehend unbekannt.
Herzinfarkte kündigen sich häufig schon über einen längeren Zeitraum an. Weil die Anzeichen beim weiblichen Herzinfarkt oft anders als bei Männern sind, schätzen Frauen die Beschwerden oft nicht richtig ein und zögern zu lang mit einem Arztbesuch.
Mögliche Symptome sind:
- Atemnot: Sie ist der häufigste Hinweis
- Druck- und Engegefühl im Brustbereich
- Übelkeit
- Oberbauchbeschwerden (Schmerzen)
- Kreislaufzusammenbruch und Bewusstlosigkeit
- Nur etwa ein Drittel der Frauen leidet an Brustschmerzen (heftiger Druck oder Brennen im Brustkorb)
- Sinkende Leistungsfähigkeit und Belastungsfähigkeit; Kurzatmigkeit
- Schmerzen in der Wirbelsäule oder auch im rechten Arm
- Einige unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit und Schlafstörungen können auftreten (diese können jedoch verschiedene Ursachen haben)
- Schmerzen im Schulter- oder Unterkieferbereich (bei körperlicher Belastung)
Manche Symptome treten bereits Wochen bis Monate vor dem Herzinfarkt auf. Sie zeigen sich vor allem bei körperlicher Belastung und bessern sich bei Ruhe. „Treten die Beschwerden vor allem bei Belastungen auf, ist das ein deutlicher Hinweis, da sollten die Alarmglocken läuten“, so Gebetsberger. Gleiches gilt, wenn die Beschwerden stärker und häufiger werden und in einer zuvor noch nicht gekannten Heftigkeit auftreten. Hier sollte man rasch einen Arzt aufsuchen.
„Während Männer meist mit starken Schmerzen im Brustbereich mit Ausstrahlung in den linken Arm und linke Schulter in das Krankenhaus eingeliefert werden, zeigen nur rund ein Drittel der Frauen diese Symptome“, sagt Gebetsberger. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine groß angelegte Studie (siehe http://watsonclinic.com). Für die Studie wurden die Daten von über einer Million Patientinnen und Patienten ausgewertet.
Bei Frauen weisen oft eher untypische Beschwerden wie Bauchbeschwerden auf die gefährliche Erkrankung hin. Die Anzeichen werden aber häufig als Magen- oder Rückenbeschwerden oder Gastritis fehl interpretiert. Achtung: Nicht jeder Herzinfarkt kündigt sich durch Beschwerden an. „Ein Viertel aller Patientinnen spürt vor einem Infarkt gar nichts“, weiß der Kardiologe. Solche so genannten „Stumme Infarkte“ treten besonders häufig bei Personen mit Diabetes mellitus auf.
Abgrenzung zur Panikattacke
Während eine Panikattacke psychische Ursachen hat, das den Betroffenen das (falsche) Gefühl gibt, eine Herzattacke zu erleiden, ist ein Herzinfarkt ein körperliches Geschehen mit psychischen Begleiterscheinungen. „Panikattacken dürften mitunter leichtfertig diagnostiziert werden, obwohl in Wahrheit eine Durchblutungsstörung vorliegt. Man sollte sich zumindest gründlich durchchecken lassen, wenn man Panikattacken erlebt hat“, empfiehlt der Mediziner.
Im Notfall keine Zeit verlieren
Bei plötzlicher Atemnot und bei Druck im Brustbereich und kaltem Schweiß bzw. Angst sollte man sofort den Notarzt oder die Rettung rufen. Je eher ein Patient oder eine Patientin ins Krankenhaus kommt, desto rascher kann eine effektive Behandlung stattfinden und desto größer sind die Überlebenschancen.
Kann bei einem akuten Herzinfarkt das verschlossene Herzkranzgefäß innerhalb der ersten 90 Minuten wieder geöffnet werden, bestehen gute Chancen, den Infarkt ohne größere Schäden zu überstehen. „Leider gehen viele Infarkte tödlich aus, weil im entscheidenden Moment die Symptome von den Betroffenen nicht ernst genommen werden“, so der Steyrer Kardiologe.
Frauen mit höherer Mortalität
Bei Frauen verlaufen Herzinfarkte häufig schwer oder sogar tödlich, weil sie mit ihren Beschwerden oft erst spät zum Arzt gehen. Sie nehmen die Symptome nicht ernst oder wollen sich ihre Probleme nicht eingestehen. „Anders als Männer überspielen sie oft ihre Schmerzen und sagen sich, es werde schon nichts sein. Das führt dazu, dass Frauen oft in einem viel schlechteren Allgemeinzustand ins Spital kommen als Männer“, betont der Mediziner.
Dr. Gebetsberger: „Studien zeigen, dass ohne die klassischen Schmerzen im Brustbereich Patienten später ins Krankenhaus kommen, weniger offensiv behandelt werden und über höhere kurzfristige Mortalität verfügen.“ Auch nach der Einweisung ins Krankenhaus sterben Frauen eher an den Folgen eines Infarkts als gleichaltrige Männer. Bei manchen Frauen wird nicht sofort die richtige Diagnose gestellt. Man denkt bei so unspezifischen Beschwerden wie Übelkeit etc. mitunter nicht sofort an einen möglichen Herzinfarkt.
Diagnose
Bei Erkrankung der Herzkranzgefäße hat sich neben dem Ruhe-EKG auch ein Belastungstest auf dem Ergometer bewährt. „Rund 80 Prozent der Männer, die im EKG Veränderungen aufweisen, haben auch eine Verengung der Herzkranzgefäße, wie sich später im Herzkatheter zeigt“, sagt der Kardiologe. Bei Frauen dagegen ist das Belastungs-EKG weniger aussagekräftig. „Bei 40 Prozent der Frauen ist das Belastungs-EKG völlig unauffällig, obwohl bereits eine Engstelle vorhanden ist.“
Mit weiteren Untersuchungen wie Herzultraschall und Computertomografie der Herzkranzgefäße lassen sich Verkalkungen oder Verengungen der Herzkranzgefäße ebenfalls feststellen. Bei entsprechendem Verdacht wird eine Herzkatheteruntersuchung (Aufdehnung des verschlossenen Gefäßes mit einem Katheter) vorgenommen. Sie sichert die Diagnose und ermöglicht gleichzeitig eine Behandlung mittels Stentimplantation zum Erweitern der Herzkranzgefäße.
Zweifelhafte Hormonbehandlung
Da Frauen vor dem Wechsel einen relativ guten natürlichen Schutz vor einem Herzinfarkt haben, stellt sich die Frage, ob eine Hormonzufuhr nach dem Wechsel (der mit einer Hormonabnahme einhergeht) nicht weiterhin Schutz bieten könnte. Vor einer künstlichen Hormonzufuhr wird heute jedoch weitgehend abgeraten, hat sich doch in Studien gezeigt, dass dies zu keiner Verringerung der Herzinfarktrate führt.
Dr. Thomas Hartl
Juli 2012
Foto: Bilderbox