Die Anzahl der Kinder, die unter Kopfschmerzen leiden, hat sich in den vergangenen 30 Jahren vervierfacht. 90 Prozent aller Zwölfjährigen kennen den Schmerz, 20 Prozent machen mit Kopfschmerzen sogar schon im Kindergartenalter Bekanntschaft. Eltern können helfen – aber nicht mit wahlloser Medikamentengabe!
Über die Gründe dafür, dass immer mehr Kinder über Kopfschmerzen klagen, gibt es kaum wissenschaftliche Belege, dafür aber Vermutungen: ein Terminkalender wie Manager, hohe Anforderungen privat und in der Schule, zu wenig Bewegung und zu wenig Möglichkeiten zum Rückzug.
Grundsätzlich werden zwei Gruppen von Kopfschmerzen unterschieden. Von primären Kopfschmerzen – wie Spannungskopfschmerz oder Migräne – sprechen Ärzte, wenn der Kopfschmerz selbst die Erkrankung ist. Sekundäre Kopfschmerzen sind ein Symptom für andere Erkrankungen, wie beispielsweise Fehlsichtigkeit, Fehlstellungen des Kiefers, hoher Blutdruck oder Infektionskrankheiten.
Ein Kind, das unter einer Migräneattacke leidet, hört meist auf zu spielen, möchte sich hinlegen, der pochende Schmerz kann – im Gegensatz zum Erwachsenen – auch auf beiden Kopfseiten auftreten. Übelkeit und Erbrechen sind häufige Begleiterscheinungen. Bei Spannungskopfschmerzen klagen die betroffenen Kinder über drückende beidseitige Schmerzen. Dieser Schmerz wird bei körperlicher Bewegung nicht stärker.
Viel seltener, als Eltern vielleicht vermuten, sind Kopfschmerzen nur Ausdruck für Langeweile, Unwohlsein oder Aufmerksamkeitsheischerei. „Auch wenn Kinder – vor allem sehr kleine – grundsätzlich seelische Probleme in erster Linie mit Bauch- oder Kopfschmerzen artikulieren, gehört jeder Kopfschmerz, der nicht sofort wieder vergeht, vielleicht täglich wiederkehrt oder lange – über Stunden oder Tage – anhält, einem Arzt vorgestellt“, so Dr. Ulrike Rossegg, Expertin für Kinderkopfschmerz an der Landes- Frauen- und -Kinderklinik Linz. Sie warnt eindringlich davor, Kindern willkürlich Medikamente zu verabreichen. Keinesfalls dürfen Medikamente gegeben werden, die Erwachsene gegen Kopfschmerzen nehmen. Jede unkontrollierte Selbstmedikation könne dem Kind schaden.
Genau beobachten
Stattdessen sollten die Eltern die Kopfschmerzen genau beobachten und allenfalls Notizen machen. Denn aus der konkreten Beschreibung des Schmerzes, der Dauer, der Häufigkeit und der zusätzlich vorhandenen Symptome kann der Arzt in den meisten Fällen eine Diagnose stellen und die geeignete Therapie verordnen. Bei der Untersuchung wird neben der Anamnese ein neurologischer Status erhoben, bei dem beispielsweise Fersengang oder Zehenspitzengang getestet werden. Es werden auch eine Blutdruckmessung und eine augenärztliche Untersuchung durchgeführt. Generell steht nach der Diagnose bei den Therapien die nicht medikamentöse Behandlung im Vordergrund – häufig reichen Ruhe und Entspannung oder die Beschäftigung mit Dingen, die den Kopfschmerz vergessen lassen. Gute Erfahrungen haben Experten wie Dr. Rossegg auch mit der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson oder mit Biofeedback gemacht. Bei der Diagnose einer kindlichen Migräne ist allerdings neben nicht medikamentösen Maßnahmen unbedingt auch eine frühzeitige und richtig dosierte Schmerzmittelgabe notwendig – natürlich nur in Abstimmung mit dem Arzt! Die Abklärung von Kopfschmerzen, die bei Kindern und Jugendlichen auftreten, gewährleistet auch, dass gegebenenfalls keine organischen Ursachen übersehen werden.
Mag. Kornelia Wernitznig
September 2013
Foto: Bilderbox, privat
Buchtipp: "Wenn Kinder Kopfschmerz haben"
Die Broschüre kann unter dem Kennwort "Elterninformation Kopfschmerz" über die Österreichische Gesellschaft für Neurologie und Psychiatrie oder die Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters - beide in Wien - bezogen werden.
Kommentar
„Eltern bekommen häufig Angst, wenn ihre Kinder über Kopfschmerzen klagen. Die Diagnose eines Arztes hilft fast immer, diese Angst zu reduzieren. Auf gar keinen Fall sollten Eltern ihren Kindern Medikamente geben, die sie selbst gegen Kopfschmerzen nehmen!“
OÄ Dr. Ulrike Rossegg
Fachärztin für Neurologie und Pädiatrie an der Landes-Frauen- und Kinderklinik Linz