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Zähneknirschen – Bruxismus

Zähneknirschen – BruxismusZwei von drei Österreichern knirschen nächtens mit den Zähnen. Das ist nicht nur störend, sondern hat auch Folgen für den Organismus: Durch das Zusammenpressen wirken Kräfte bis zu einer halben Tonne auf Zähne und Zahnapparat. Abnützungen können die Folge sein. Ist das Zähneknirschen bei Kindern im Zuge des Wachstums des Gebisses völlig normal, lässt es bei Erwachsenen mitunter auf Stress schließen.

Bruximus (gr.: brygmos = das Knirschen) – landläufig als Zähneknirschen bekannt – bedeutet das unbewusste Aufeinanderpressen und Aneinanderreiben der Zähne. „Bruxismus wird im Allgemeinen als parafunktionelle Tätigkeit bei Tag oder bei Nacht definiert, zu der Pressen und Knirschen zwischen der oberen und unteren Zahnreihe gehört. Wissenschaftlich ist der Bruxismus vergleichsweise wenig beachtet“, so Prof. Dr. Anton Leitner vom Department für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie der Donau-Universität Krems. In Kooperation mit Prof. DDr. Eva Piehslinger, Ordinaria für Prothetik der Bernhard Gottlieb Zahnklinik in Wien, wird dort ein Forschungsprojekt zum Thema Bruxismus durchgeführt.

Zentrischer und exzentrischer Bruxismus

Je nachdem, ob man die Zähne aneinanderpresst oder sie gegeneinander reibt, unterscheidet man zwischen dem zentrischen und exzentrischen Bruxismus. Beim zentrischen Bruxismus pressen die Betroffenen die Zähne so stark aufeinander, dass Muskelschmerzen im Kiefer die Folge sein können. Dabei wirken Kräfte, die jene des funktionellen Kauens bei Weitem übersteigen. Das weitaus bekanntere Zähneknirschen ist für den exzentrischen Bruxismus kennzeichnend: Die Zähne werden gegeneinander gerieben, was häufig an einem unangenehmen Knirschgeräusch zu erkennen ist.

Ursachen des Zähneknirschens

„Nach neueren Erkenntnissen wird der Bruxismus als natürliche Funktion des Kauorgans gesehen. Vor allem kann es bei Personen mit einem gestörten Aggressionsverhalten zu verstärktem Bruxismus kommen, der in weiterer Folge zu erheblichen Schäden führt“, so Piehslinger. Wissenschafter vermuten, dass psychische Faktoren wie private und berufliche Probleme oder Stress durch mangelnde positive Aggressivität tagsüber nicht verarbeitet werden können und nachts das Kauorgan als Stressventil verwendet wird. Aber auch neue, störende Füllungen oder ein Zahnersatz können das Zähneknirschen begünstigen, weil man unbewusst versucht, die „Unebenheit“ zu korrigieren oder zu glätten. Als Risikofaktoren gelten zudem Alkohol oder Rauchen sowie Schlafstörungen.

Folgen des Bruxismus

Das Zähneknirschen ist bei Kindern in der Wachstumsphase des Gebisses völlig normal. Bei Erwachsenen stellt Bruxismus ein – häufig nicht nur lästiges – Problem dar. Denn das nächtliche Knirschen ist nicht nur laut, sondern bleibt nicht ohne Folgen für die Zähne: Durch das starke Zusammendrücken wirken enorme Kräfte. Die Zähne reiben sich mit der Zeit ab oder zersplittern, sie sterben ab oder lockern sich. Der Druck führt dazu, dass das Zahnfleisch weniger durchblutet wird, was Zahnfleischentzündungen begünstigen kann. Das Knirschen hat jedoch nicht nur Folgen für die Zähne: „In erster Linie führt Bruxismus durch Überlastung der Kiefergelenke und der damit verbundenen muskulären Strukturen zu Schäden, die sich initial als Gelenksgeräusche und in weiterer Folge als mitunter schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Unterkiefer äußern. Weiters kann Zähneknirschen zu schweren Schmerzsyndromen im Kopf und Rückenbereich sowie Ohrpfeifen, dem so genannten Tinnitus, führen. Weitere häufige Erscheinungen sind Schwindel, Sehstörungen und Übelkeit“, erklärt die Professorin. Darüber hinaus fühlen sich die Partner von nächtlichem Zähneknirschen gestört.

Behandlungsmöglichkeiten

Da das Knirschen ein unbewusster Vorgang ist, lässt sich Bruxismus häufig erst dann feststellen, wenn bereits sichtbare Schäden bestehen. Besteht der Verdacht nächtens zu knirschen, sollte man so rasch wie möglich einen Zahnarzt aufsuchen. Besonders wenn man bereits nach dem Aufwachen Kopfschmerzen oder Verspannungen verspürt, könnte dies auf nächtliches Zähneknirschen schließen.

Der Arzt klärt ab, ob das Knirschen auf einen Gebissfehler zurückzuführen ist. Ob man tatsächlich Bruxismus hat, lässt sich im Schlaflabor oder mit Hilfe von „Bite Strips“ feststellen. Abhilfe verschafft eine Aufbiss-Schiene oder Bruxierschiene. Betroffene setzen diese vom Zahnarzt genauestens angepasste und regelmäßig kontrollierte Kunststoffschiene auf die Zahnreihe. Die Schiene wird je nach Anforderung entweder im Oberkiefer oder im Unterkiefer angepasst um das Aneinanderreiben der Zähne zu verhindert. Die Knirscher-Schiene hilft allerdings nur bei exzentrischem Bruxismus und nicht gegen das Aufeinanderpressen der Zähne. Sind psychische Probleme die Ursache, sollten Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung oder andere Stressbewältigungsstrategien – wenn notwendig auch eine Psychotherapie – in Erwägung gezogen werden.

Programmierung im Unterbewusstsein

„Als kausale Therapie kann eine Biofeedback-Therapie eingesetzt werden. Über Elektroden an der Kaumuskulatur wird die Muskelspannung gemessen und visuell an die Patienten zurückgekoppelt. So kann die Intensität des Zusammenbeißens eingesetzt und variiert werden. Wird dies trainiert, kann es zur Programmierung im Unterbewusstsein kommen und dies wiederum kann zu einer Abschwächung bzw. sogar zu einem Sistieren (Anm.: Aussetzen) des Bruxismus-Verhaltens führen“, erklärt Leitner.

MMag. Birgit Koxeder
März 2010


Foto: Bilderbox

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020