Kälte betäubt den Schmerz, das hat jeder schon einmal feststellen können. Nach einem Bienenstich wird der Fuß ins kalte Wasser gehalten oder nachdem man sich den Kopf angeschlagen hat, wird ein Eiswürfel auf die sich entwickelnde Beule gelegt. Kälte kommt auch gezielt als Behandlungsform – Kryotherapie genannt – zum Einsatz.
Die Einsatzmöglichkeiten der Kälteanwendungen sind breit gestreut. Drei große Bereiche lassen sich unterscheiden:
- Rheumaerkrankungen
- Postoperative Anwendungen
- Degenerative Orthopädie (Arthrosen, etwa bei Schulter und Knie).
Weiters kommt Kryotherapie auch bei chronischen Schmerzen zum Einsatz, etwa bei Muskelschmerzen infolge dauerhaft verspannter Nacken- und Schultermuskeln. Kälte reduziert den Muskeltonus und lindert dadurch die Schmerzen.
Die lokale Anwendung erfolgt durch Auflegen von Eiskompressen oder durch Abreibungen der betroffenen Körperstellen mit Eis. „Empfehlenswert sind auch Kältemaschinen mit speziell für Gelenke vorgeformte anatomische Manschetten“, sagt OA Dr. Hans Söser, Abteilung Orthopädie und orthopädische Chirurgie im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz.
Kälte wirkt
Der gezielte Einsatz einer Kälteanwendung hat folgende Wirkungen:
- Sie führt zu einer Verminderung der Schmerzwahrnehmung, sie lindert also Schmerzen. Schmerzlindernd wirkt dabei die Herabsetzung des örtlichen Stoffwechsels, weil sich die Blutgefäße verengen und die Erregbarkeit schmerzempfindlicher Nervenfasern reduziert.
- Entzündungen und Schwellungen werden vermindert. „Indem sich die Gefäße zusammen- ziehen, vermindert sich die Durchblutung. Die Entzündung wird gehemmt, das Gelenk schwillt ab“, erklärt Söser.
- Die Spannung in den Muskeln wird gelöst. Der Tonus der Muskulatur reduziert sich, Verspannungen lösen sich. Auch dies führt zu einer Schmerzreduktion.
Risikogruppen
Kälteanwendungen sind für alle Altersgruppen möglich. Nicht zum Einsatz kommen dürfen Anwendungen bei Menschen mit Erkrankungen der Gefäße oder des Herzen, bei Diabetikern, Kälteüberempfindlichkeiten, Sensibilitätsstörungen und im Falle von Blasenleiden.
Behandlungsdauer
Effektive Kühlung benötigt Zeit. Wenn die Anwendung zu kurz erfolgt, kann das kontraproduktiv sein, da in diesem Fall nur die oberen Hautschichten gekühlt werden und der Körper mit stärkerer Durchblutung reagiert. „Das ist für das entzündete Gelenk ungünstig, da es ohnehin schon stärker durchblutet ist. Eine Steigerung der Schmerzen könnte die Folge sein“, warnt der Orthopäde.
Für eine entzündungshemmende Wirkung muss die Gewebetemperatur des betreffenden Gelenks so lange Zeit abfallen, dass sich das Gelenk auch 10 bis 20 Minuten nach der Kältetherapie noch kühl anfühlt. Kleine Gelenke wie Finger- und Zehengelenke und Ellbogen sollten etwa 15 Minuten, große Gelenke wie Hüfte und Knie 30 bis 45 Minuten gekühlt werden. Söser: „Behandlungen erfolgen zwei bis drei Mal täglich. Die Behandlungsdauer ist sehr unterschiedlich, postoperativ erfolgt sie meist zwischen ein und zehn Tagen. Zuhause lässt sich die Kühlung weiter führen, indem man in ein Tuch eingewickeltes Eis oder kalte Topfenwickel auflegt. Topfen sollte so lange aufgelegt bleiben, bis er trocken ist und abbröckelt.“
Die Behandlungsdauer bei rheumatischen Patienten schwankt nach Entzündungsgrad. „Die Kältepackung muss seitlich auf die Weichteile aufgelegt werden und nicht auf den Knochen, wie etwa die Kniescheibe“, so Söser. Achtung: Eis darf niemals direkt auf die Haut gelegt werden. Die Behandlung muss immer trocken erfolgen, das heißt, das Eis muss gut eingewickelt sein.
Behandlung zu Hause
Wenn es vom Arzt empfohlen wird, können die Kühlungsmaßnahmen auch zu Hause weitergeführt werden. Hierbei stehen verschiedene Möglichkeiten offen: In ein Tuch eingewickeltes Eis, Topfenwickel oder ein Beutel mit gefrorenen Erbsen oder mit Kirschkernen. Auch Kyrogelbeutel haben sich bewährt. Diese Gelbeutel werden im Eisfach gelagert. Am besten wickelt man sie dann in ein Tuch und legt sie auf die zu kühlende Körperstelle. Man kann den kalten Beutel auch in einen Stoffsack stecken und diesen an das betroffene Gelenk binden.
Bei Kindern sollte man sehr vorsichtig kühlen und diese Maßnahmen nicht gegen den Willen der Kinder durchführen. Die Anwendung darf weder zu lang noch zu kalt erfolgen. Treten auf der Haut weiße Flecken auf, sollte man die Behandlung abbrechen. Bei Kindern empfiehlt sich die mildere Form der Kühlung mittels Topfenwickel.
Dr. Thomas Hartl
November 2010
Foto: Bilderbox