Die Empfängnisverhütung für den Mann bleibt ein beliebtes Diskussionsthema. Es gibt sie bereits, aber wir Mannsbilder wollen sie nicht. Auch wenn wir manchmal das Gegenteil behaupten.
Man kennt das ja: Immer, wenn Vernunft, Frauen und Gesellschaft eine Veränderung männlicher Verhaltensweisen verlangen, reden wir uns auf den Höhlenmenschen aus. Es seien die rohen Kräfte der Natur, die unsereins zwingen, dem Reh nachzustellen oder auch den Hasen. Auch sei der Mann geradezu programmiert, seine Spermien in der Welt zu verteilen, um seine Vermehrungschancen zu wahren. Was wir auch tun würden, wären da nicht Moral und Alimentezahlungen. Und bevor es teuer wird, verhütet auch der Mann. Oder er denkt zumindest kurz darüber nach.
Pille ...
Überall wird emsig an Verhütungsmethoden geforscht, die über Kondom und einer Durchtrennung der Samenleiter hinausgehen. Methode eins ist vielen zu wenig zuverlässig, wobei der größte Unsicherheitsfaktor in der grundsätzlichen Anwendung liegt, und bei Methode zwei schrillen beim Mann, der eine Fortpflanzung nicht völlig ausschließen möchte, alle Alarmglocken. Man braucht kein Freud zu sein, um akute Kastrationsängste zu diagnostizieren. Also geht die Forschung in Richtung Pille für den Mann. Immerhin geben in Umfragen bis zu 60 Prozent der Männer an, dass sie bereit wären, mit Pille zu verhüten – keine Kunst, es gibt sie ja noch nicht.
... oder Spritze
Grundsätzlich gibt es vier Ansätze bei der Verhütung für den Mann: die Unterdrückung der Samenbildung, die Verhinderung der Samenreifung, die Hemmung der Spermienfunktion oder die Blockade des Spermientransportes. Die meisten Forscher konzentrieren sich darauf, die Samenbildung zu unterdrücken. Der Weg führt – genau wie bei der Pille für die Frau – über die Hormone. Dazu wird Testosteron injiziert, das die körpereigene Produktion dieses Hormons und der Botenstoffe, die für die Samenbildung nötig sind, unterbindet. Um Nebenwirkungen wie Libidoveränderung und Gewichtszunahme zu verhindern, muss Gestagen, ein weibliches Hormon, zugeführt werden. Das scheint zu funktionieren. Nach etwa sechs Monaten ist die Spermienbildung ausreichend reduziert, und die Forscher versprechen, dass nach Ende der Hormongaben die Fruchtbarkeit in drei bis vier Monaten wieder zurückkehrt. Der Haken daran: Noch müssen die Hormone gespritzt und/oder mit einem Implantat unter der Haut kombiniert werden. Abgesehen davon, dass die Männer nicht gerade begeistert sind, hormonell an sich herumpfuschen zu lassen.
... oder lieber gar nichts
„Männer sind sehr misstrauisch“, sagt die Sexualexpertin Rotraud Perner. „Sie haben Angst, dass ihre Virilität beeinträchtigt wird. Sie wollen zwar keine Alimente zahlen, sind aber unheimlich stolz auf ihre Potenz.“ Tatsächlich fehlen für manche Studien männliche Probanden, um weiterzuforschen. Bei der schlechten Presse kein Wunder: Der englische Journalist Clint Witchalls hat die Pille für den Mann getestet. Neben den „Schwabbelbrüsten“, Gewichtszunahme und Akne stellten sich Nebenwirkungen ein, bei denen sich nun wirklich alles aufhört: „Erwurde anschmiegsamer, hielt oft Händchen“, „Er weinte häufiger“ und „Mit seiner Frau redete er häufiger, hörte mehr zu!!!!“, erschrickt die Bild-Zeitung. Die Folge: Bayer Schering Pharma hat die Forschung an einem Verhütungspräparat für Männer eingestellt, ebenso wie der Pharmakonzern Oragon. „Keine Marktchancen“, heißt es hinter vorgehaltener Hand zu den Gründen.
Stöpsel als Chance
Dabei sind längst nicht alle Forschungsansätze ausgetestet. So versuchen amerikanische Forscher, die Bewegung des Schwänzchens zu blockieren, das die Spermie auf dem Weg zur Eizelle antreibt. Im Londoner King´s College forscht ein Team an einem „trockenen Orgasmus“, bei dem der Muskel, der die Spermien in Bewegung setzt, nicht kontrahiert. Der Vorteil: Die entsprechende Pille müsste erst kurz vor dem Sex geschluckt werden und ist nur kurzfristig wirksam. Und kanadische Mediziner wollen es mit einem „Spermastöpsel“ für den Mann versuchen. Dabei werden kleine Silikonkügelchen in die Samenleiter eingebaut. Nach einer 20-minütigen Mini-OP wäre alles erledigt, die Wirkungsquote liegt derzeit bei 95 Prozent. Anders als bei der Vasektomie kann der Eingriff leicht wieder rückgängig gemacht werden.
Methoden wie Letztere hält Rotraud Perner für wesentlich männerkompatibler als die Hormonbehandlung. „Die, die wirklich keine Kinder wollen, lassen sich unterbinden. Da bräuchte es eine Form, die verlässlich wieder reversibel ist.“ Generell zweifelt die Expertin aber am guten Willen der Männer ebenso wie an der Bereitschaft der Frauen, die Verhütung den Männern zu überlassen. „Frauen wollen alles unter Kontrolle haben — auch die Verhütung.“
Fritz Kalteis
November 2007
Foto: Bilderbox, privat
Kommentar
Prof. Dr. Rotraud Perner
Psychoanalytikerin und Sexualexpertin, Matzen