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Stillen: Gewusst wie

Baby trinkt an Mama´s BrustEs ist etwas scheinbar so Natürliches, dass viele denken, es müsste auch ganz einfach gehen. Doch einigen Frauen bereitet das Stillen Probleme. Welche am häufigsten auftreten und was dagegen hilft, erklärt die Stillberaterin Ursula Gessner.

 

Es gibt zahlreiche gute Gründe, die für das Stillen sprechen: So enthält Muttermilch alle Nährstoffe, die das Baby braucht und ist zudem reich an Abwehrstoffen. Menge und Zusammensetzung passen sich dem Bedarf des Kindes an. Die Milch ist hygienisch und steht in der optimalen Temperatur zur Verfügung. Zudem fördert das Stillen die Rückbildung der Gebärmutter nach der Schwangerschaft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt daher, Babys sechs Monate zu stillen. Stillen hat aber nicht ausschließlich etwas mit Ernährung zu tun: „Es geht hier auch um eine Bindung, die der Säugling braucht und die für die Entwicklung nicht zu unterschätzen ist“, erklärt Ursula Gessner, Fachfrau bezüglich Stillen im Österreichischen Hebammengremium.

 

Von der Vormilch zur Muttermilch

Während das Kind noch im Mutterleib den Saug-, Such- und Schluckreflex trainiert, bereitet sich auch der Körper der Schwangeren auf das Stillen vor und produziert bei einigen Frauen bereits eine Vormilch, die auch als Kolostrum bezeichnet wird. Ist das nicht der Fall, wird diese Milch, die reich an Abwehrstoffen ist, spätestens mit der Geburt bei Ausscheidung der Plazenta gebildet. Kurz nach der Entbindung signalisiert das Baby meist auch, dass es an die Brust möchte. Dann ist es wichtig, das Kind häufig – also immer, wenn es Stillzeichen zeigt (etwa alle zwei bis drei Stunden) – zu stillen. Wie lange diese Stillzeit dauert, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Ab zirka dem dritten Tag nach der Geburt wird aus der Vormilch dann die reife Muttermilch. 


Die richtige Technik

Nicht immer klappt es mit dem Stillen auf Anhieb. Bereits beim ersten Anlegen des Babys ist es daher wichtig, auf die richtige Technik zu achten. Die Stillexpertin: „Ein häufiges Problem, das stillende Frauen haben, sind schmerzhafte Brustwarzen, die durch nicht korrekt angeleitetes Anlegen entstehen. Das Kind saugt in den ersten Tagen sehr viel. Wenn die Frau nun bei jedem Mal Angst vor den Schmerzen hat, ist das eine extreme Belastung. In der Praxis erleben wir, dass Abstillen oder eine nicht so gut in Gang gekommene Milchbildung oft an wunden Brustwarzen liegt.“ Doch wie legt man das Kind richtig an? „Das Allerwichtigste ist – egal ob bei der klassischen Wiegehaltung oder beim Stillen im Liegen –, dass der Bauch des Babys dem Bauch der Mutter zugeneigt ist. Auch darf das Köpfchen nicht verdreht, also nicht zu stark nach vorne oder nach hinten gebeugt sein. Es muss möglich sein, dass das Kind ganz viel vom Brustgewebe in den Mund bekommt. Weiters sollte die Unterlippe beim Saugen nach außen gestülpt sein“, erklärt Gessner. Bevor man dem Kind die Brustwarze anbietet, muss sein Mund ganz weit geöffnet sein. Auch sollten Ohr, Schulter und Hüfte des Babys eine Linie bilden. Und hat es dann einmal „angedockt“, gehört es noch einmal bewusst zum Körper geführt, damit es nicht an der Brust „hängt“.

 

Brust vorher nicht abhärten

Entgegen manchen Empfehlungen rät Gessner, die Brust in der Schwangerschaft nicht auf das Stillen vorzubereiten: „Eine Abhärtung ist ganz schlecht, weil man die Brustwarze wund macht, bevor das Kind überhaupt erst angelegt wurde. Die Natur hat die Brustwarze mit entsprechenden Drüsen ausgestattet, die einen Schutzmechanismus darstellen. Das soll auf keinen Fall durch Abreibungen mit rauen Handtüchern oder mit Zitronensaft und ähnliche Tipps gestört werden!“

 

Milchmenge hängt nicht von Brustgröße ab

Kann nun aber jede Frau stillen? „Es gibt ganz seltene anatomische Ausnahmen, durch die Frauen Probleme beim Stillen haben, wie etwa stark ausgeprägte Schlupf- oder Hohlwarzen. Mit einer guten Unterstützung klappt es aber auch in diesen Fällen meist ganz gut, vorausgesetzt, dass das Kind reif ist und gut saugen kann“, sagt die Expertin. Auch ist eine kleine Brust genauso gut zum Stillen geeignet wie eine große. Schließlich wird die Milch erst während des Stillvorgangs produziert, also wenn das Kind an der Brust saugt. Einige Frauen haben zudem Angst, dass sie nicht genügend Milch bilden. Hier gilt jedoch: Je öfter man den Nachwuchs stillt, umso mehr Milch wird produziert.

 

Stillen nach Kaiserschnitt oder Mehrlingsgeburt

Stillen funktioniert übrigens auch nach einem Kaiserschnitt oder einer Mehrlingsgeburt. Hier ergeben sich gelegentlich jedoch organisatorische Schwierigkeiten: „Beim Kaiserschnitt ist es nicht immer in allen Krankenhäusern möglich, dass die Mutter das Baby unmittelbar danach bei sich haben kann. Was einen guten Start für den Beginn des Stillens ausmacht, ist allerdings ein ununterbrochener Hautkontakt und ein frühes Anlegen. Mehrlinge sind meistens auch Frühgeburten und daher oft räumlich von der Mutter getrennt. Können Mutter und Kind nicht in Hautkontakt sein, so muss die Mutter angeleitet werden, Milch zu produzieren, indem sie früh mit dem Pumpen beginnt, um die Brustdrüse zu stimulieren.“

 

Hilfe bei Problemen

Um Probleme von vornherein auszuschließen, sollten Frauen bereits in der Schwangerschaft Kontakt mit Hebammen oder Still- und Laktationsberatern aufnehmen. „Hier ist noch viel Zeit, um sich mit dem Thema zu beschäftigen und Ängste auszuräumen“, sagt Gessner. Treten dennoch Schwierigkeiten auf, so gibt es folgende Tipps: Wichtig ist zunächst, die Anlegetechnik zu überprüfen und diese erforderlichenfalls zu korrigieren. Bei wunden Brustwarzen kann man nach dem Stillen etwas Milch darum verstreichen und an der frischen Luft trocknen lassen. Probleme kann auch ein Milchstau verursachen. Man erkennt ihn an einer verhärteten oder geröteten Brust, die schmerzt. Am wichtigsten ist dann, sich viel Ruhe zu gönnen und das Baby häufig zu stillen. Wärme lässt die Milch leichter fließen, während kalte Umschläge nach dem Stillen die Schmerzen lindern können.

 

Wenn es nicht klappen will

Gibt es auch Gründe, um auf eine fertige Milchnahrung zurückzugreifen? „Nur ganz selten“, antwortet Gessner. So wäre dies nur etwa dann der Fall, wenn das Baby zu viel Gewicht nach der Geburt verliert, obwohl es gestillt wird, und auch in den Wochen danach nicht genügend zunimmt. Auch wenn die Mutter erkrankt ist und Medikamente verabreicht bekommt, die beim Stillen nicht eingenommen werden dürfen, ist die Gabe von Milchfertignahrungen angebracht. Von selbst zubereiteten Milchmischungen – etwa auf Basis von Kuh- oder Sojamilch – ist allerdings abzuraten.

 

MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger

April 2014


Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020