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Gleitsichtbrille: Vor- und Nachteile

Frau sieht mit Brille nicht gutAb dem 40. Lebensjahr setzt bei vielen Menschen die Alterweitsichtigkeit ein. Man benötigt dann eine Lesebrille oder man greift zu einer Gleitsichtbrille. Beides hat seine Vor- und Nachteile. 

Im Supermarkt lässt sich das Etikett nicht mehr lesen und die Buchstaben der Zeitung werden immer kleiner. Lange Zeit will man es nicht wahrhaben, aber irgendwann wird einem der Augenarzt die Augen öffnen: Man leidet unter dem Phänomen, das ein Augenfacharzt Presbyopie und der Volksmund „Altersweitsichtigkeit“ nennt.Diese Form der Fehlsichtigkeit beginnt bereits ab dem 40. Lebensjahr, da ab diesem Zeitpunkt die Flexibilität der Augenlinse abnimmt. Sie verhärtet und kann dadurch unterschiedliche Nah- und Fernpunkte nicht mehr abwechselnd scharf auf der Netzhautebene abbilden. „Es handelt sich dabei um einen normalen Alterungsprozess, der sich nicht verhindern lässt“, erklärt Dr. Bernhard Wienerroither, Facharzt für Augenheilkunde in Linz.

Gleitsichtbrille – eine Brille für Nah und Fernsehen 

Steht ein Brillenkauf im Alter von über 40 Jahren im Raum, raten Augenärzte und Optiker oft zu einer Gleitsichtbrille. Diese kann mehrere Sehschwächen gleichzeitig korrigieren, sie ist Fernbrille und Nahbrille in einem und hat mehrere Sehzonen. Im oberen Teil wird das Sehen in die Ferne verbessert, im unteren Teil das Sehen in der Nähe. Die dazwischen liegende Übergangszone korrigiert stufenlos die Sehschärfe, die von oben nach unten fließend von der Fernsicht in die Nahsicht übergeht. 

Lesefähigkeit nimmt mit dem Alter ab 

Träger einer normalen Brille müssen aber nicht automatisch zu einer Gleitsichtbrille wechseln. Solange man mit der gewohnten Brille gut zurecht kommt, braucht man keine neue Brille. Der Wechsel von einer normalen Brille zur Gleitsichtbrille kann aber dann nötig werden, wenn sich die Nahsichtigkeit verschlechtert. Am besten erkennt man das, wenn man mit der normalen Brille nicht mehr lesen kann und man beginnt, das Buch beim Lesen immer weiter von sich weg zu halten. Oft liest ein kurzsichtiger Mensch dann ohne Brille besser als mit der normalen Brille. Er kann dann zwar eine Zeitlang einfach durch das Herabnehmen der Brille lesen, freilich ist dieser Zustand nicht von Dauer.


Der Kauf einer Brille lässt sich für diejenigen, die wenig lesen und die Augen für kurze Distanzen kaum gebrauchen, ein wenig hinausschieben. Freilich ist es ratsam, bei beginnender Verschlechterung der Nahsicht eher früher als später zur Gleitsichtbrille zu wechseln, da der Unterschied von Nah- und Fernteil zu einem frühen Zeitpunkt geringer ist und man sich also auch daran leichter gewöhnt, als wenn man eine Gleitsichtbrille erst dann kauft, wenn man im Nahsehbereich bereits sehr schlecht sieht.


„Zum Eingewöhnen von Gleitsichtbrillen sollte man diese am Beginn nur im Sitzen tragen und wenn man damit keine Probleme hat, kann man sie überall verwenden. Die allermeisten Menschen haben keine Probleme und 90 Prozent der Gleitsichtbrillenträger würden ihre Brille nicht mehr gegen ein altes Modell umtauschen wollen“, sagt Wienerroither. 

Vorteile einer Gleitsichtbrille 

Eine Gleitsichtbrille kann mehrere Sehschwächen gleichzeitig korrigieren und korrigiert eine Hornhausverkrümmung (Stabsichtigkeit). Ohne diese Brille muss man ständig zwischen Lese- und Standardbrille wechseln. Weil der Übergang zwischen den Sehfeldern gleitend ist, sieht auch in den Zwischendistanzen scharf und klar.


Äußerlich unterscheidet sich eine Gleitsichtbrille nicht von einer Einstärkenbrille. Da man Gleitsichtgläser bis zu einer Sehstärke von +/- 10 Dioptrien anpassen kann, sind sie für fast alle Brillenträger geeignet. Eine standardmäßige Gleitsichtbrille kann auch beim Sport getragen werden.

Nachteile 

Die Sehbereiche für Ferne und Nähe sind kleiner als bei einer Einstärkenbrille. Das ist gewöhnungsbedürftig. Schwindel und Kopfschmerzen sind in der Eingewöhnungsphase möglich. Das Sehverhalten ändert sich ein wenig. Mit einer Gleitsichtbrille steuert man den Blick nicht nur mit den Augen, sondern auch mit der Kopfhaltung, das heißt, man muss sich daran gewöhnen, auch durch Heben und Senken des Kopfes den Blick zu steuern, denn durch diese Bewegungen macht man das Bild scharf oder unscharf, je nachdem, wohin man sieht. „Steigt man Stufen oder einen Berg hinab, muss man den Kopf ein wenig senken, ansonsten sieht man durch den Sehbereich, der auf die Nahdistanz ausgelegt ist“, so Wienerroither.


Wer gerne im Bett liest, braucht unter Umständen eine Lesebrille, da das Lesen mit der Gleitsichtbrille in dieser Position schwierig ist und der Text oft unscharf erscheint. Bildschirmarbeiter können mit einer Gleitsichtbrille Probleme mit der Halswirbelsäule bekommen, da man mit dieser Brille das Kinn ein wenig anheben muss um auf die Bildschirmdistanz scharf zu sehen und das führt auf die Dauer oft zu Verspannungen und daraus folgend zu Schmerzen. Vor dem 40. Lebensjahr ist die normale Fernbrille in der Regel die geeignete Brille bei der Bildschirmarbeit.


Gleitsichtgläser sind wegen des aufwendigeren Herstellungsverfahrens teurer als Einstärkengläser. 

Genaue Anpassung beim Optiker 

Gleitsichtbrillen sollten beim Optiker individuell angepasst werden. Ausschlaggebend für die genaue Ausrichtung der Sehzonen der Gläser ist die individuelle Nutzung der Brille. Bei der Wahl der Fassung sollte man auf ausreichend große Glasflächen achten, denn zu kleine Gläser können die Verträglichkeit der Brille beeinträchtigen. Auch die Größe und Anordnung der einzelnen Sehzonen im Glas sollten maßgeschneidert angepasst werden, das erhöht die Verträglichkeit.


Eine Gleitsichtbrille hält je nach Qualität und Pflege drei bis fünf Jahre. Die meisten Brillengläser sind aus Kunststoff. Auch Kontaktlinsen sind im Gleitsichtformat möglich, jedoch wird diese Möglichkeit selten in Anspruch genommen. 

Kontrollen 

Ab dem 40. Lebensjahr sollte man einmal jährlich zur Augenarztkontrolle. Dabei werden nicht nur die Sehbehelfe kontrolliert, sondern auch die Gesundheit der Augen. (Früherkennungsuntersuchung bezüglich Grauem und Grünem Star; geprüft werden auch Augenhintergrund und Augendruck.) 

Computerbrille 

Ein Sonderfall einer Gleitsichtbrille ist die Computerbrille. Der obere Teil der Gläser ist auf eine optimale Sehschärfe von 80 Zentimeter (Blick geradeaus auf den Bildschirm), der untere Teil ist auf eine Entfernung von 30 bis 40 Zentimeter (Blick nach unten auf die Tastatur) eingestellt. Diese Brille ist nur für den Arbeitsplatz vor dem Bildschirm ausgelegt und hat keinen Sehteil für die Ferne. Eine Computerbrille beugt Verspannungen und Schmerzen vor. In manchen Fällen zahlt der Arbeitgeber diesen Sehbehelf. 

Sonnenbrillen mit Gleitsicht 

Gleitsichtgläser lassen sich auch als Sonnenbrillen anfertigen. Man schützt damit die Augen vor der Sonne und kann gleichzeitig die Vorteile der Gleitsicht nützen.


Alternativ dazu kann man auch phototrope Gleitsichtgläser wählen. Das sind Brillengläser, die bei Helligkeit von selbst tönen, also dunkler werden. Je nach Helligkeit sind sie normale Gläser oder Sonnenbrille, sie sind also zwei Brillen in einem. 

Alternativen zur Gleitsichtbrille 

Eine Alternative zur Gleitsichtbrille sind Bifokalgläser. Hier sieht man von außen die Abtrennungen der verschiedenen Sehbereiche. Der Nachteil gegenüber Gleitsichtbrillen: Der fließende Übergang zwischen den unterschiedlichen Sehbereichen bei Gleitsichtgläsern wird oft angenehmer empfunden als der harte Bruch bei Bifokalbrillen.


Auch Triofokalgläser sind möglich, bei ihnen sind alle drei voneinander getrennte Teilbereiche (Fern, Mittel- und Nahteil) in einem Glas vereint. Trifokalgläser gibt es heute kaum mehr, sie wurden von Gleitsichtgläsern weitgehend verdrängt.


„Eine andere Alternative sind operative Maßnahmen. Altersweitsichtigkeit lässt sich auch mittels Laser gut behandeln“, erklärt Augenarzt Wienerroither. 


Dr. Thomas Hartl

September 2014 


Foto: shutterstock

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020