Die Tage sind kurz und oft nebelig-dunkel, die Nächte dagegen scheinen endlos lang. Der Winter ist die dunkle und im Flachland oft trübe Jahreszeit, in der viele Menschen in unseren Breitengraden in eine Depression verfallen. Dass im Winter der Körper einen Gang zurück schaltet ist normal. Nicht normal ist es, wenn sich die Stimmung derart eintrübt, dass es zu einer depressiven Phase samt Beeinträchtigung des Alltags und des Befinden kommt. Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung leiden an Symptomen, die mit einem Lichtmangel in den Wintermonaten in Verbindung stehen und Lichtmangelsyndrom genannt wird. Bei einem Teil der Betroffenen, geschätzten drei bis vier Prozent, mündet das Lichtmangelsyndrom in eine echte Depression. „Betroffen sind dabei wesentlich mehr Frauen als Männer. Warum das so ist, ist nicht erwiesen, es wird vermutet, dass die Hormone eine wesentliche Rolle spielen“, sagt Psychiater OA Dr. Thomas Zaunmüller von der Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg.
Es gibt viele Unterformen von Depressionen, am häufigsten tritt die Winterdepression (oder saisonale Depression meist zwischen Oktober und März) auf. Diese Form der Depression unterscheidet sich von anderen Depressionen dadurch, dass die Betroffenen nicht nur an einem Mangel des Botenstoffs Seratonin leiden, sondern zusätzlich einen Überschuss an Melatonin aufweisen. Melatonin wird durch den Eintritt von Dunkelheit stimuliert und fördert den Schlaf. Wenn es bei trübem Wetter tagsüber nicht richtig hell wird, bleibt der Melatoninspiegel auch am Tag erhöht, wodurch man am liebsten auch tagsüber schlafen würde.
Beschwerden
Zum einen treten die für jede Depression typischen Symptome auf. Das sind primär:
- Stimmungsverschlechterung
- Traurigkeit
- Antriebs-, Lust- und Freudlosigkeit.
Bei einer Winterdepression treten zwei zusätzliche Merkmale auf, die sich von anderen Depressionen unterscheiden. Während es bei einer normalen Depression oft zu Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit kommt, ist die saisonale Depression gekennzeichnet von:
- verstärkter Tagesmüdigkeit und
- Appetitsteigerung (vor allem nach
Kohlenhydraten in Form von Süßigkeiten und Teigwaren).
Ursache Lichtmangel
Die saisonale Form der Depression tritt vor allem auf der nördlichen Erdhalbkugel auf. „Viele Menschen kommen oft tagelang mit Sonnenlicht nicht in Berührung. Wenn man um sieben Uhr ins Büro fährt und um 17 Uhr nachhause, dann verbringt man den gesamten hellen Teil des Tages in geschlossenen Räumen. Und selbst an freien Tagen scheuen sich viele, ins Freie zu gehen, weil es ihnen nicht schön genug oder zu kalt ist“, sagt Zaunmüller.
Licht tanken
Da die saisonale Depression eindeutig durch Lichtmangel verursacht wird, ist die beste Gegenmaßnahme klarerweise Licht zu tanken. Am besten sollte man täglich in der Mittagszeit eine Stunde und wenigstens eine halbe Stunde ins Freie gehen. „Selbst wenn es bewölkt ist und es regnet oder schneit, ist mittags viel Licht vorhanden. Wer kann, sollte um diese Zeit im Freien ein wenig sporteln, also joggen, Nordic walken, oder wenigstens spazieren gehen“ rät Zaunmüller. Während es in tiefen Lagen oft nebelig-trüb ist, scheint in den Bergen häufiger die Sonne. Zudem ist hier die Sonneneinstrahlung intensiver. Wer kann, sollte in Zeiten langer Nebelphasen also in die Berge fahren. Nicht nur das Licht, auch die neue und anregende Umgebung lässt schlechte Laune oft rasch verschwinden.
Vorbeugend empfiehlt es sich, regelmäßig Tageslicht zu tanken. „Licht tut allen Menschen gut, auch wenn manche einen Lichtmangel nicht als belastend empfinden. Spätestens jedoch, wenn man bemerkt, dass die Stimmung sinkt und dass man sich müde durch die Tage schleppt, sollte man vermehrt in die Natur gehen. Ansonsten droht kann aus einem anfangs ungefährlichen Lichtmangel eine echte Depression werden“, so Zaunmüller.
Licht auf Knopfdruck: Lichttherapie
Als Ergänzung zum Sonnenlicht oder als Ersatz leistet eine Lichttherapie mit einer Therapielampe gute Dienste. Dabei wird weißes Licht (Vollspektrumlicht ohne UV-Strahlung) verwendet, aus dem der für das Auge schädliche Lichtanteil herausgefiltert wird. Dieses Licht wird vorwiegend über die Augen aufgenommen. „Eine Lichttherapie ist sehr wirksam und wird von den meisten Menschen als sehr hilfreich eingestuft. Auch Studien belegen, dass bei allen leichten Depressionen eine deutliche Besserung durch Lichttherapie eintritt. Diese Tatsache ist noch viel zu wenig bekannt“, sagt Zaunmüller.
Keine Billiglampen kaufen
Augen auf beim Lampenkauf! Nicht alles was (vor allem im Internet) als Therapielampe angeboten wird, entspricht auch den Vorgaben einer therapeutischen Lampe. „Leider ist auch viel Schrott am Markt, der sein Geld nicht wert ist“, kritisiert der Psychiater. Er empfiehlt beim Kauf auf die Lichtstärke zu achten. 1 Lux entspricht der Helligkeit einer Kerze, eine Therapielampe muss zumindest 2.500 Lux Lichtstärke haben, besser sind 5.000 bis 10.000 Lux. 10.000 Lux entsprechen dem Licht eines Sommertages in unseren Breiten. Die Innenbeleuchtung in einem Raum dagegen spendet nur etwa 300 bis 800 Lux, also viel zuwenig, um eine Wirkung zu erzielen.
Eine gute Lampe kostet ab 500 Euro. Lichttherapie wird auch in manchen Krankenhäusern und in Altenheimen angeboten. Finger weg von Billiglampen! Bei diesen besteht die Gefahr, dass der für das Auge schädliche Lichtanteil nicht gefiltert wird.
Es gibt mittlerweile auch eine Lichtquelle in der Ausführung einer Arbeitslampe für den Schreitisch. „Für Menschen, die den ganzen Tag im Büro arbeiten, ist die Anschaffung so einer solche Lampe sicher eine Überlegung wert“, sagt Zaunmüller.
Solarium ungeeignet
Die Strahlung im Solarium besitzt hohe Anteile an UV-Strahlung, vor allem an UV-A, wodurch die Haut gebräunt, aber das ungeschützte Auge geschädigt wird. Als Lichttherapie ist Solarium-Licht ungeeignet, denn bei einer echten Lichttherapie wird das Licht über die Augen aufgenommen. Beim Solarium muss dagegen wegen des schädlichen UV-Lichts unbedingt eine Schutzbrille getragen werden, wodurch das Licht die Netzhaut nicht erreicht und die gewünschten Effekte nicht erzeugen kann. Immerhin bietet Solariumlicht Wohlfühleffekte, kann also insofern für die Stimmung aufhellend wirken.
Medikamentöse Therapie
Findet man mit Sonnenlicht oder Lichttherapie kein Auslangen, werden bei einer saisonalen Depression auch Antidepressiva eingesetzt. Antidepressiva erhöhen den Serotoninspiegel auf ein Normalmaß. Gegen den Überschuss des Müdigkeit verursachenden Melatonin wirken Antidepressiva jedoch nur wenig, hier wiederum ist der Einsatz von Licht hilfreich.
Ernährung
Zusätzlich zu Licht und Bewegung im Freien (und in schweren Fällen gegebenenfalls Antidepressiva) kann die Therapie mit einer ausgewogenen Ernährung, viel Obst und Gemüse sowie ausreichend Flüssigkeit unterstützt werden.
Johanniskraut, in Kapselform (lang genug und hoch dosiert) eingenommen, hilft gegen eine Winterdepression (wissenschaftlich erwiesen). Aber Achtung: Einerseits kann Johanniskraut die Wirkung von Antidepressiva stören, andererseits kann es die Sonnenempfindlichkeit erhöhen. „Es sollte daher keinesfalls willkürlich, sondern nur in ärztlicher Absprache eingenommen werden“ rät der Psychiater.
Dr. Thomas Hartl
Jänner 2015
Foto: shutterstock