Krebs in eine Krankheit, die sehr stark mit Ängsten besetzt ist. Sowohl gesunde als auch erkrankte und ebenso bereits genesene Menschen leiden unter verschiedenen Ängsten, die das Wort Krebs bei ihnen auslöst. Treten Ängste massiv auf, sollte man professionelle Hilfe beanspruchen.
Gesunde Menschen haben oft eine diffuse Angst vor dieser Erkrankung, ohne genau zu wissen, wovor sie sich konkret fürchten. Meist tauchen Gedanken an ein quälendes, langsames Sterben auf oder einfach an eine Erkrankung, die oft als unheilbar bezeichnet wird. Bleibt eine solche diffuse Angst im Rahmen des „Normalen“ und vermindert sie nicht die Lebensfreude an sich, dann bedarf sie keiner Therapie. Führt eine gewisse Sorge zur Vorsorge, kann dies sogar positive Nebenwirkungen haben, indem sie Menschen anspornt, gesünder zu leben, z.B. das Rauchen aufzugeben und sich mehr zu bewegen.
Auch Gesunde fürchten sich vor Krebs
Therapiebedürftig allerdings wird eine solche Angst, wenn sie immer wiederkehrt und Teil des Lebens wird. Vor allem wenn ärztliche Abklärungen und Vorsorgeuntersuchungen keine nachhaltige Beruhigung bringen, dann kann die Hilfe eines Psychologen oder Psychotherapeuten angezeigt sein. Eine ständige und quälende Angst vor Krebs trotz ärztlicher Versicherung, dass alles in Ordnung ist, fällt in den Bereich der „Hypochondrie“, die durch eine Psychotherapie meist gut behandelbar ist.
Angst vor einem Rückfall
Während die Angst vor Krebs bei gesunden Menschen nur fallweise auftritt, wird diese Angst bei Menschen, die bereits an Krebs erkrankt waren, in einem bestimmten Ausmaß Teil ihres weiteren Lebens. Zahlreiche Menschen in der Nachsorge (Menschen, die sich nach abgeschlossener Therapie regelmäßig Kontrolluntersuchungen unterziehen) und auch Geheilte (also Menschen, die bereits länger als fünf Jahre krebsfrei sind) sind durch Ängste vor einem Rückfall manchmal so stark belastet, dass ihnen das Leben keine Freude mehr macht, obwohl sie von den Ärzten für gesund erklärt wurden und seit vielen Jahren ohne Rückfall leben.
„Betroffene reagieren auf eine – ehemalige – Krebserkrankung recht verschieden: Manche sagen: Operation geglückt, Patient lebt und ist gesund, andere wiederum brauchen viele Jahre, bis sie zu diesem Punkt gelangen“, erklärt Mag. Monika Hartl, Psychoonkologin und Psychologin der Krebshilfe Oberösterreich (Anm.: Nicht mit dem Autor verwandt). Die Angst vor einem Rückfall (Rezidiv) begleitet fast jeden Betroffenen und ist in einem bestimmten Ausmaß völlig normal. Belastet sie den Alltag jedoch massiv, raubt sie über einen längeren Zeitraum den Schlaf und besteht die Gefahr einer Depression, sollte man professionelle Hilfe eines Psychoonkologen, Psychologen oder Psychotherapeuten in Anspruch nehmen.
Angst vor dem Verfall
Beim Thema Krebs spielt die Angst vor dem Tod eine zentrale Rolle. Jeder erwachsene Mensch weiß zwar, er ist unausweichlich der Endpunkt dieses Lebens, doch Menschen, die eine schlimme Krankheit erfahren haben, müssen sich unmittelbar und frühzeitig, oft schon in jungen Jahren mit diesem Thema auseinandersetzen.
Wer einmal mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert war, entwickelt nicht nur Angst vor der Wiederkehr der Erkrankung oder vor dem Tod, für viele ist ein weiterer Aspekt sehr stark, nämlich die Angst, langsam und stetig körperlich zu verfallen, dahinzusiechen, schwach und hilflos zu werden, behindert und voller Schmerzen. Die Aussicht auf eine rapide fallende Lebensqualität verunsichert und lässt den Selbstwert sinken. In diese Ängste mischen sich Schuldgefühle gegenüber den Angehörigen, denen man die Last des eigenen Verfalls aufbürdet. Manche glauben sogar, das Leben der Angehörigen dadurch zu zerstören. Die Angst vor dem körperlichen Verfall ist für diese Menschen das Schlimmste, das sie sich vorstellen können, der Tod dagegen eine Erleichterung. Auch hier kann eine professionelle psychologische oder psychotherapeutische Begleitung helfen.
Ängste können motivieren
Wer eine Krankheit überlebt hat, als geheilt gilt oder zumindest als gesundheitlich stabil, der lebt fortan mit seinen Krankheitsängsten. Das ist normal und man sollte diese Ängste nicht unterdrücken. Freilich ist das Ausmaß der Angst entscheidend, ob man gut mit ihr leben kann oder nicht. Ist sie zu groß, dann lähmt sie. In diesem Fall sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Ängste in geringeren, „normalen“ Ausmaß können auch motivieren. Sie motivieren, uns zu ändern, gesünder zu leben, unser Leben zu ordnen, zu verbessern, neu zu starten. „Viele beginnen aus der Angst heraus ihr Leben zu verändern und mit der Zeit ändern sich glücklicherweise auch ihre Motive für ihr Tun. Sie schaffen es mit der Zeit ein gesundes und befriedigenderes Leben zu führen, ohne den Hintergedanken, dass sie das machen müssen, weil ansonsten wieder die Krankheit in ihr Leben treten könnte“, sagt Hartl.
Umgang mit Ängsten lernen
Mit seinen Krebs-Ängsten umzugehen, ist ein Lernprozess. Es ist zunächst wichtig, das Erlebte anzunehmen, zu akzeptieren, wie es nun einmal war und ist. Dagegen anzukämpfen bringt nichts und kostet viel Energie. Akzeptanz der (vergangenen) Erkrankung, der damit verbundenen Ängste und der dadurch nötigen Veränderungen gehört zur Bewältigung dieser schwierigen Lebensphase. Es gilt Schritt für Schritt wieder Vertrauen zu gewinnen, in den eigenen Körper, die Gesundheit, die eigenen Ressourcen und Stärken. „Manche übersehen was im Hier und Jetzt gut ist und sehen nur die Krankheit. Man sollte aber vor allem auf die gesunden Anteile achten und wenn möglich den Fokus auf das legen, was möglich ist und nicht auf das, was nicht mehr möglich ist. Bei einer schweren Erkrankung kann man oft nur in begrenztem Umfang beeinflussen, was einem passiert, man kann jedoch beeinflussen, wie man damit umgeht, was man daraus macht“, sagt die Psychoonkologin.
Wichtig ist es auch, sich ein Leben ohne Krebs zu erlauben, d.h. im Laufe der Zeit immer weniger oft daran zu denken und die ehemalige Erkrankung irgendwann ganz los zu lassen. Freilich geschieht es immer wieder, dass das Thema Krebs auch nach vielen Jahren auftaucht und Ängste auslöst, etwa wenn jemand aus dem Umfeld ebenfalls erkrankt oder wenn Medien ausführlich über die Erkrankung einer prominenten Person berichten. Solche Erinnerungen an diese Krankheit können ehemals Betroffene irritieren und verunsichern. Fallweise suchen sie dann auch nach vielen Jahren wieder das Gespräch mit einem Psychoonkologen, um sich wieder beruhigen und neu auf Gesundheit ausrichten zu können.
Was können ehemals Betroffene tun? Ins Tun kommen. Ein Restrisiko einer Wiedererkrankung akzeptieren und gleichzeitig aktiv leben. Ein wenig Angst ist in Ordnung, man soll auch gar nicht versuchen, völlig angstfrei zu werden, sondern sich auf das Machbare und nicht auf das Restrisiko konzentrieren. Konzentration auf das, was man jetzt tun kann, ist entscheidend. Sei es, sich um die Kinder zu kümmern, Wünsche auszuleben oder einfach das zu tun, was im Moment möglich ist.
Dr. Thomas Hartl
März 2015
Foto: shutterstock