Sie winden sich, schreien fürchterlich und reagieren auf keinerlei Beruhigungsversuche: Was auf Eltern äußerst beunruhigend wirken kann, ist für Kinder harmlos. Denn beim Nachtschreck können sie sich im Gegensatz zu Albträumen am nächsten Tag meist nicht mehr erinnern.
Beim Nachtschreck – er wird in der medizinischen Fachsprache als Pavor nocturnus bezeichnet – handelt es sich um eine Schlafstörung, die zu den Parasomnien zählt. Darunter versteht man Phänomene, die ausschließlich während des Schlafens auftreten. Auch das Schlafwandeln gehört dazu.
Zwischen Schlaf und Wachsein
Doch wie erkennt man einen Nachtschreck überhaupt? Dr. Elisabeth Brandauer von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck erklärt: „Der Nachtschreck macht sich durch ein plötzliches Aufschrecken in der Nacht bemerkbar. Die Betroffenen werden aus dem Tiefschlaf gerissen, sind aber nicht richtig wach. Es handelt sich somit um eine Aufwachstörung. Da der Tiefschlaf vermehrt im ersten Nachtdrittel stattfindet, schrecken die meisten während dieser Zeit hoch.“ Die Betroffenen befinden sich dabei in der sogenannten Non-REM-Phase und beginnen plötzlich, aus dem Nichts heraus, ganz heftig zu schreien. Dabei schwitzen sie und haben einen schnellen Herzschlag. Weitere Kennzeichen sind weit aufgerissene Augen und weite Pupillen. Damit nicht genug, schlagen sie häufig auch um sich und sind nicht ansprechbar. Der Grund: Sie befinden sich in einer Art Halbschlaf. Das heißt, dass sie weder wach sind noch richtig schlafen. Deshalb reagieren sich auch auf keinerlei Beruhigungsversuche.
Selten auch Erwachsene betroffen
Derartige Szenarien spielen sich in nicht wenigen Kinderzimmern ab. Auch wenn es zum Nachtschreck selbst weniger wissenschaftliche Daten als zum Schlafwandeln gibt, weiß man: „Vom Nachtschreck sind in etwa ein bis sechs Prozent der Kinder betroffen. Tritt er nur einmal auf beziehungsweise selten, ist die Häufigkeit größer“, erklärt Dr. Brandauer und ergänzt: „Es gibt auch einen Altersgipfel. So leiden häufig Kinder zwischen vier und zwölf Jahren darunter. Die Aufwachstörung besteht nur selten bis ins Erwachsenenalter weiter beziehungsweise tritt sie selten auch erst dann auf.“
Meist vor Mitternacht
So beunruhigend die beschriebenen Symptome für die meisten Eltern zu beobachten sind, so harmlos sind sie für die Kinder. Denn: Ein Nachtschreck ist fast immer nach wenigen Minuten vorüber und die Kinder fallen zurück in den Schlaf. Am nächsten Tag können sie sich in vielen Fällen an nichts erinnern. Das ist auch der Unterschied zu Albträumen. Betroffene können sich daran erinnern, weil sie meist richtig wach werden. Sie brauchen daher auch Zuspruch und Beruhigung in der Nacht. Zudem treten Albträume meist in den Morgenstunden zwischen zwei und sechs Uhr auf, der Nachtschreck oft vor Mitternacht.
Übermüdung vermeiden
Wie lassen sich die Symptome nun aber erklären? Was genau zum Nachtschreck führt, steht derzeit noch nicht eindeutig fest. „Es gibt allerdings eine familiäre Häufung. Wenn Eltern schlafwandeln oder unter einem Pavor nocturnus litten, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch ihre Kinder davon betroffen sind“, erklärt die Neurologin. Zudem begünstigen bestimmte Situationen das Auftreten. Dazu zählen etwa Stress, Erkrankungen wie Fieber oder das Schlafen in einer neuen, fremden Umgebung. Ein weiterer Faktor ist Übermüdung bzw. ein vorherrschender Schlafmangel: „Der Körper will dann den Tiefschlaf am nächsten Tag nachholen“, erklärt Brandauer. Auslöser können zudem laute Geräusche sein, die den Tiefschlaf unterbrechen.
Verhaltenstipps fürs Eltern
Schreit das eigene Kind, schlägt wild um sich und ist durch nichts zu beruhigen, sind viele Eltern verängstigt und wissen nicht, was sie tun sollen. So seltsam es klingt: Sie können auch gar nicht viel unternehmen. Wichtig ist lediglich, dass sie leise mit dem Kind sprechen und sicherstellen, dass es sich nicht verletzen kann. Dazu rät auch die Neurologin: „Da es Übergangsformen zum Schlafwandeln gibt, ist es besonders wichtig, die Umgebung abzusichern.“ Auch wenn es schwerfällt, sollte man nicht versuchen, den Nachwuchs zu wecken. Das Kind wäre dann orientierungslos und verwirrt. Die Folge: Das erneute Einschlafen würde umso schwerer fallen. Eltern sollten zudem auf viel Routine am Abend – etwa mit regelmäßigen Bettgehzeiten – achten. Einschlafrituale helfen den Kleinen, dass sie zur Ruhe kommen.
Der Nachtschreck ist meist völlig harmlos. Tritt er jedoch sehr häufig auf oder bestehen Unsicherheiten, ob es sich tatsächlich um einen Pavor nocturnus handelt, sollten Eltern einen Kinderarzt aufsuchen. Die gute Nachricht ist zudem: Die Aufwachstörung macht sich mit zunehmendem Alter immer seltener bemerkbar.
MMag. Birgit
Koxeder-Hessenberger
Juni 2015
Foto: shutterstock