Krankenhausinfektionen sind weltweit ein Problem. Für Europa geht das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC/Stockholm) von jährlich mindestens rund drei Millionen, nach anderen Zitierungen gar von 4,1 Millionen, solcher Infektionen aus. Jährlich soll es zu rund 37.000 Todesfällen aufgrund solcher Infektionen kommen. Österreich ist laut einer neuen Studie im europäischen Mittelfeld auf relativ guter Position, berichtet die Austria Presse Agentur (APA).
„Unsere (Spitals-)Infektionsrate liegt in etwa beim europäischen Durchschnitt (...). Pneumokokken, Harnwegs- und Wundinfektionen stehen im Vordergrund“, stellte Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Presterl, Chefin der Universitätsklinik für Hygiene und Infektionskontrolle im Wiener AKH (MedUni Wien), bereits im Mai 2015 auf der Basis einer neuen österreichischen Studie ihres Referenzzentrums fest.
Aktuelle Studie
Anfang Dezember 2015 wurde die Studie im Gesundheitsministerium präsentiert. In einer Aussendung der MedUni Wien gab es zusätzliche Informationen zur Häufigkeit der „health care associated infections“ (HAI), ein anderer Begriff sind sogenannte nosokomiale (im Spital erworben) Infektionen. Die Universitätsklinik für Krankenhaushygiene in Wien hätte gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium die zweite Untersuchung in 51 heimischen Krankenanstalten abgeschlossen.
Leichte Verbesserung
In Europa liegt die Häufigkeit einer nosokomialen Infektion bei sechs Prozent. In der nun vorliegenden Prävalenzstudie für Österreich hätten 727 von insgesamt 13.814 Patienten eine HAI, das wären 5,3 Prozent. Im Vergleich zu einer derartigen Untersuchung aus dem Jahr 2012 sei das eine leichte Verbesserung – damals lag die Prävalenzrate bei 6,2 Prozent (allerdings bei nur neun untersuchten Krankenanstalten).
„Wir sind auf einem guten Weg, aber es kommen laufend neue Herausforderungen in Sachen Krankenhaushygiene auf uns zu. Daher helfen uns diese Zahlen, strategisch zu planen und noch besser zu werden und jene Maßnahmen zu ergreifen, die die Patienten und Patientinnen schützen und zu einer erhöhten Patientensicherheit beitragen“, wurde Presterl zitiert. In der jüngsten Vergangenheit wurde in Österreich vor allem die Beteiligung der Krankenhäuser an Meldesystemen bezüglich der Krankenhausinfektionen kritisiert. So ist laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) pro Jahr in den österreichischen Spitälern mit rund 7.000 potenziell gefährlicher Clostridium difficile-Infektionen und 700 Todesfällen zu rechnen. Gemeldet wurde 2013 aber nur ein Bruchteil.
Epidemiologische Studien können nur Hinweise geben. Krankenhausinfektionen und Resistenzsituation sind praktisch immer ein lokales Problem, das sich aus der Art der behandelten Patienten, Hygienesituation, Antibiotikagebrauch und vielen anderen Faktoren zusammensetzt.
Nicht alle Infektionen vermeidbar
Schnell zitierte „Schlamperei“ in der Hygiene und resistente Keime sind nur ein Teil des Problems. „Es ist so, dass nicht alle nosokomialen Infektionen vermeidbar sind, es sind zwischen 20 und 30 Prozent. Es kommt darauf an, dass gemäß modernen Standards gearbeitet wird, dass sie 'gelebt' werden“, sagte im Mai dieses Jahres Dr. Thomas Hauer, Ärztlicher Leiter des deutschen Beratungszentrums für Hygiene in Heidelberg, bei einem Round-Table-Gespräch an der MedUni Wien.
„Ich unterstütze die Untersuchungen zur Erhebung der Krankenhausinfektionen und freue mich, dass mittlerweile wesentlich mehr Krankenanstalten teilnehmen. Wir brauchen diese epidemiologischen Daten für die Planung unserer nationalen Maßnahmen. Je besser wir die Situation kennen, umso treffsicherer können wir Qualitätsstandards definieren und umsetzen“, erklärte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser anlässlich der Vorstellung der Studie. Das Ministerium erarbeite gerade mit den Bundesländern und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ein Konzept zur österreichweit einheitlichen Erfassung der Krankenhausinfektionen.
Verteilung und Bekämpfung
Die Verteilung der HAI über die einzelnen medizinischen Fächer hinweg entspricht – so die neue Studie – der Verteilung der in Krankenhäuser aufgenommenen Patienten: Chirurgie und Innere Medizin hatten jeweils ein Drittel der Patienten und somit auch der Infektionen. Die häufigsten Erkrankungen waren Lungenentzündungen (Pneumonien), Harnwegsinfektionen, postoperative Wundinfektionen und gastrointestinale Infektionen. In rund der Hälfte der Fälle waren Multiresistenz-Erreger involviert, die häufigsten Erreger waren Enterobakterien.
„Ganz wichtig bei Krankenhausinfektionen ist der rationale Gebrauch von Antibiotika“, stellt Presterl fest. Ziel sei eine maßgeschneiderte Antibiotika-Therapie. Rund 26 Prozent der Spitalspatienten bekommt Antibiotika, laut der Expertin ein „ansehnlicher Wert“ – und leicht nach unten verbessert gegenüber 2012 (33 Prozent). Nur fünf Prozent erhielten bestimmte hoch wirksame Reserveantibiotika (Carbapeneme), bei denen das Entstehen von Resistenzen besonders unangenehm wäre.
Gestiegen ist in den österreichischen Kliniken der Einsatz von Händedesinfektionsmitteln und damit die Händehygiene: „Wir kommen bei 28 Milliliter Händedesinfektionsmittel auf neun Patientenkontakte pro Tag mit korrekter Händedesinfektion“, erklärte die Expertin. „Es ist sicher noch Spielraum nach oben möglich, aber es ist besser als 2012 und definitiv besser als in der EU mit 23,9 Milliliter.“
Mag. Christian Boukal / APA
Jänner 2016
Bild: APA (dpa/Universität Freiburg)