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Pensionsschock: Schock, lass nach!

Während die Mehrheit der Österreicher die Pension nach wie vor als eine Art „Karriere-Höhepunkt“ anstrebt, besteht für rund ein Viertel die Gefahr, einen „Pensionsschock“ zu erleiden. 

Die Zahl derer, die das Ende ihres Berufslebens nicht herbeisehnen, sondern eher fürchten, steigt. Bis vor einigen Jahren haben sich die Österreicher bei den Senioren-Organisationen fast ausschließlich danach erkundigt, wie sie früher in Pension gehen können. Etwa seit 2010, so Susanne Walpitscheker vom Seniorenbund, ersuchen aber immer mehr Menschen um Hilfestellung, weil sie länger im Berufsleben bleiben wollen. 

Die Gefahr, am Ende des Berufslebens in ein seelisches Tief zu geraten, besteht vor allem für Menschen, die ihren Job gerne ausgeübt haben, einen Großteil ihrer sozialen Kontakte im Arbeitsumfeld aufgebaut und andere Interessen zugunsten ihres Berufs immer wieder zurückgestellt haben. Diese Diagnose stellt Ullrich Meise von pro mente tirol. Er hat Daten zum Thema „Pensionsschock“ präsentiert, wonach die Risikogruppe insbesondere von Männern und Menschen, die in einem Beruf mit hohem sozialen Prestige tätig waren, besiedelt wird. „Frauen sind weniger betroffen“, ergänzt Verena Günther von der Uni-Klinik für Psychiatrie in Innsbruck. Sie seien privat meistens besser vernetzt als Männer und „haben mehr außerberufliche Kontakte“. 

Im Detail gaben laut Ullrich Meise mehr als ein Viertel der Befragten an, dass ihnen die Arbeitskollegen fehlen, zehn Prozent klagten über Langeweile nach der Pensionierung und sieben Prozent – laut Meise die „Hochrisikogruppe“ fürs Abgleiten in eine Depression – sagten, dass sie sich nicht mehr als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlen. Fachleute sprechen daher auch vom „Empty-Desk-Syndrom“, also einer psychischen Störung, die auf einen leeren – weil geräumten – Schreibtisch zurückzuführen ist. Von vielen Menschen wird die Pensionierung vor allem auch als Schritt in den letzten Lebensabschnitt angesehen – verbunden mit der Angst vor dem Tod oder vor altersbedingten Beschwerden und Einschränkungen, etwa dem Verlust der Mobilität. 

Die Signale für eine Depression sind vielfältig – etwa plötzliche Antriebslosigkeit und Übellaunigkeit, aber auch die Tatsache, dass man Interessen oder Hobbys, denen man früher gerne nachgegangen ist, nicht mehr weiterverfolgt. Auch Schlafstörungen können so ein Anzeichen sein.

Das alles kann man freilich auch verhindern. Denn es ist eine Vielzahl „rezeptfreier“ Gegenmittel bekannt, die von den Betroffenen genützt werden sollten.

Was am  häufigsten übersehen wird, ist die rechtzeitige Vorbereitung auf die Pension, mit der man am besten bereits einige Jahre vorher beginnt. Für Anton Leitner, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Uni in Krems, ist das bewusste „Erkennen, was läuft“ ein ganz wichtiges Element. „Es hilft bei der Vorbereitung auf die Pension und unterstützt damit ihr Gelingen. Da gehört eine klare Planung mit dazu – bis hin zu einem strukturierten Tagesablauf.“

Burkhard Heidenberger, Trainer für Arbeitsmethodik und Zeitmanagement und Betreiber des Portals www.zeitblueten.com, wird noch konkreter: „Fragen Sie sich, was Sie im Ruhestand alles verwirklichen wollen. Führen Sie am besten ein Buch, in dem Sie alle Ihre Vorhaben festhalten, und ergänzen Sie es laufend mit neuen Ideen. Die Arbeit an diesem Buch steigert die Vorfreude.“ 

Neue Kontakte

Senioren kochenKaum „schockgefährdet“ sind jedenfalls Menschen, die sich aktiv neue Aufgaben und Tätigkeitsfelder suchen, sei es in der eigenen Familie, in Vereinen oder Hilfsorganisationen. Wer sich umschaut, findet oft auch Felder, in denen er seine Berufserfahrung einbringen kann.

Man sollte freilich auch als Ziel ansteuern, Neues zu lernen. Das muss nicht unbedingt ein Universitätsstudium sein. Die verschiedenen Weiterbildungseinrichtungen bieten eine Vielzahl an interessanten Kursen an. Damit schlägt man übrigens gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Lernen fördert die geistige Flexibilität bis ins hohe Alter und solche Kursbesuche sind auch ein probates Mittel, um neue Kontakte zu schließen.

Soziale Kontakte sind eines der wichtigsten Rezepte gegen den Pensionsschock. Weil die beruflichen Kontakte ja wegfallen, schmälert das auch das soziale Umfeld und kann zu Einsamkeit führen. Daher raten Experten, sich spätestens ein bis zwei Jahre vor Pensionsantritt um neue Kontakte zu kümmern und dabei auch auf einen guten Mix zu achten. „Es ist ein Vorteil, wenn sich die Kontakte aus älteren und jüngeren Menschen zusammensetzen“, so Verena Günther.

Zu einem gelungenen Wechsel in den letzten Lebensabschnitt trägt auch bei, den Partner von vornherein in die Vorbereitung einzubeziehen. Verbringt man einen Großteil der Zeit zu Hause, so dringt man speziell als Mann – meist unbeabsichtigt – in die Bereiche seines Partners ein. Oft sind es sogar gut gemeinte Gesten, die langfristig zu Konflikten führen können. „Daher sollten Sie zusammen mit dem Partner schon im Vorfeld die Aufgaben eines jeden festlegen und einen gemeinsamen Zeitplan aufstellen. Besonders wichtig ist es jedoch, dass jeder dem anderen genügend Freiheiten lässt und dessen Standpunkte akzeptiert“, heißt es im Ratgeber „Beugen Sie dem Pensionsschock vor“, der auf der Website www.freie.be gefunden werden kann. Dort finden sich auch jede Menge Tipps für Bewegung, bewusste Ernährung und medizinische Vorsorge.

   

Mag. Robert Zauchinger

August 2016



Kommentar

Ing. Burkhard Heidenberger, Trainer für Arbeitsmethodik und Zeitmanagement, Wien„Auch im Ruhestand soll der Genuss nicht zu kurz kommen. Schenken Sie der Familie und den Freunden Zeit.“
Ing. Burkhard Heidenberger
Trainer für Arbeitsmethodik, Stress- & Zeitmanagement. Er betreibt das Zeitblüten-Portal (www.zeitblueten.com) und ist Autor des Buches „Zeitblüten – Wege zu persönlichen Wohlfühlmomenten“.



Bilder: shutterstock; mauritius; privat

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020