Die Melanzani ist quasi der Schweinebauch unter den Gemüsen: üppiger, intensiver, befriedigender als der Großteil der Konkurrenz und richtig behandelt wunderbar löffelweich – das perfekte Wohlfühlessen. Sogar die Affinität zum Rauch teilt die Melanzani mit der Unterseite des Schweins, was sie zu einem idealen Grillgemüse macht.
Eine wunderbare sommerliche Kochoption ist es, sie auf der Glut, dem Rost oder, wenn es gar nicht anders geht, im Ofen außen verkokeln zu lassen: Die verbrannte äußere Schicht gibt ihr eine leicht bittere Rauchnote, das Fruchtfleisch, beim Braten oft ein wenig schwammig, verwandelt sich in einen saftig-cremigen Gaumenschmeichler.
Die Melanzani stammt wahrscheinlich ursprünglich aus Südostasien und soll irgendwann um 300 vor Christus in Indien erstmals kultiviert worden sein, zumindest taucht sie zu jener Zeit in Sanskritschriften auf. Etwa 200 Jahre später ist ihr Anbau in Sichuan in China belegt, auch wenn sie hier zunächst wohl eher als Medizin gedient haben dürfte. Wie der Kugelfisch heute noch in Japan durfte auch die Melanzani nur von speziell ausgebildeten Köchen zubereitet werden.
Kulinarisch groß geworden ist sie erst im Osmanischen Reich, wohin sie im 6. Jahrhundert über die Seidenstraße gelangte – kurz nach ihrer Ankunft soll sie von osmanischen Adeligen bereits zu jeder Mahlzeit verspeist worden sein. Eines der berühmten türkischen Melanzani-Gerichte, ursprünglich Melanzani gefüllt mit Pinienkernen, galt sogar als so köstlich, dass es den Geistlichen ob all der Wollust das Bewusstein raubte – bis heute heißt es laut einer Legende daher „İmam bayıldı“, übersetzt: „Der Imam fiel in Ohnmacht.“ (Eine alternative Erzählung macht den exzessiven Gebrauch von teurem Olivenöl in dem Rezept für die Ohnmacht verantwortlich).
Nach Europa gelangte die Melanzani mit der arabischen Eroberung Spaniens und erst im 13. Jahrhundert erreichte sie Mittel- und Nordeuropa. Angebaut wurde sie zunächst allerdings nur als Zierpflanze – ab dem 19. Jahrhundert taucht sie dann regelmäßig in Kochbüchern auf.
Tobias Müller
Juli 2018
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