Nicht nur Frauen kommen in die Wechseljahre - sondern auch Männer. Während der Wechsel der Frau allgemein bekannt, ist der Wechsel des Mannes immer noch weitgehend unbekannt. Er basiert auf einer Umstellung der Hormone. Der Lebensstil entscheidet in vielen Fällen, ob sich Beschwerden zeigen oder nicht.
Bei der Frau ist der Beginn des Wechsels an der letzten Monatsblutung klar erkennbar. Das Fehlen eines solchen biologischen Markers beim Mann macht die Feststellung des Eintritts des Wechsels schwierig. „Dennoch kommen auch Männer in den Wechsel. Dabei werden bestimmte Hormone und auch Neurotransmitter weniger und der ganze Körper, aber auch die Psyche wandelt sich“, sagt Univ.-Ass. Prof. Dr. med. Markus Metka, Oberarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien, und Präsident der Österreichischen Meno-/Andropause Gesellschaft. Er gilt als einer der führenden Pioniere auf dem Gebiet der Hormonforschung und Anti-Aging-Medizin.
Beschwerden
Der Wechsel der Männer, die sogenannte Andropause, setzt durchschnittlich fünf Jahre später ein (um die 55 Jahre) als die Menopause der Frauen. 50 Prozent der Männer zwischen 50 und 60 Jahren leiden deutlich unter den typischen Beschwerden der Hormonumstellung: Der Antrieb vermindert sich, man ist häufig und rasch müde, die Libido (sexuelle Lust) lässt nach, ebenso wie die sexuelle Standfähigkeit (Erektionsstörungen häufen sich). Schlafstörungen und bisher unbekannte Schweißausbrüche treten auf. Auch Reizbarkeit, Aggressionen, Stress, Sorgen, Ängstlichkeit, Nervosität, Depressionen, Herzrasen, Kopf- und Rückenschmerzen sind möglich. Ob und welche Beschwerden wahrgenommen werden, ist sehr unterschiedlich. „Manche Männer leiden stark, andere wenig und manche Männer spüren von dieser Umstellung gar nichts und bemerken erst mit 80 Jahren sehr überrascht, dass sie alt geworden sind“, sagt Metka.
Veränderung der Hormone
Vor allem das wichtigste männliche Sexualhormon, das Testosteron, erfährt eine Veränderung. Dabei muss man zwischen dem freien Testosteron und dem gebundenen Testosteron SHBG (Sexualhormonbindendes Globulin) unterscheiden. Das freie Testosteron ist verantwortlich für so wichtige Funktionen wie Antrieb, Libido, räumliches Vorstellungsvermögen und Kreativität. Das Testosteron wird mittels SHBG gebunden. Wenn nun das SHBG ansteigt, wie es oftmals bei Männer über 50 Jahren geschieht, so befindet sich entsprechend weniger freies Testosteron und somit weniger wirksames Testosteron im Körper. Es ist daher wichtig, dass nicht zu viel SHBG im Körper vorhanden ist.
Gesundheit der Leber
Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Gesundheit der Leber. SHBG steigt, wenn die „Leber beleidigt“ ist, wenn sie also vom Lebensstil stark beansprucht wird und mit der Zeit verfettet und ihre Funktionsfähigkeit einbüßt. „Fastenkuren dagegen sind gesund für die Leber, dadurch wird SHBG zurückgedrängt. Es ist eine Tatsache, dass überdurchschnittlich viele Menschen, die an der Andropause leiden, auch Probleme mit der Leber haben und am metabolischen Syndrom leiden. Sie haben deutlich Übergewicht, hohen Blutdruck, hohe Blutfettwerte und oft Diabetes“, so Metka. Entscheidend ist auch die Anzahl der Fettzellen im Körper. Viel Fett bedeutet weniger Testosteron, weniger Testosteron wiederum führt zu mehr Fett, weil freies Testosteron Fett verbrennt. Ein Teufelskreis, wenn man nichts dagegen unternimmt. Zudem führen viele Fettzellen dazu, dass das weibliche Östrogen auch im Körper des Mannes steigt und seine Figur verweichlicht, also weiblicher wird.
Schilddrüse checken
Unabhängig vom Lifestyle ist häufig die Schilddrüse Ursache von Beschwerden. „Die Schilddrüse ist der oberste Dirigent, wenn es um darum geht, wie es uns geht. Beschwerden in der Andropause sind oft auf eine Unterfunktion zurückzuführen. Man sollte die Schilddrüse jedenfalls bei Beschwerden überprüfen lassen“, rät Metka.
Hormonstatus
Bei Beschwerden sollte man auch seinen Hormonstatus abklären lassen. Mittels Blutuntersuchung bekommt man Informationen, wie es um die eigene Hormonbilanz steht. Wichtige Werte sind: Freies Testosteron, Progesteron, SHBG, DHEA (Dehydroepinadrosteron – dieses Hormon spielt im Rahmen des Anti-Aging eine große Rolle), Östrogen (auch dieses „weibliche“ Hormon braucht der Mann, allerdings nur in begrenzter Dosis) und auch der Zustand der Schilddrüse lässt sich mittels Hormonstatus bestimmen.
Therapie
Ein gesunder Lebensstil (viel Bewegung, gesunde Ernährung, rauchfrei, stressarm, Erkennen eines persönlichen Lebenssinns) ist die vorrangige Therapie. „Wer so lebt, dass er kein Übergewicht hat und einen normalen Bauchumfang, der hat schon viel für sich getan. Wenn das nicht ausreicht, der sollte es mit Phytotherapie versuchen“, rät Metka. Das bedeutet, dass man pflanzliche Stoffe zu sich nimmt, welche die Hormonproduktion ankurbeln können. Zu nennen sind hier vor allem Ginseng und Tribulus Terrestris (Erd-Burzeldorn). Zur Entgiftung und Funktionsverbesserung der Leber empfiehlt Prof. Metka die Mariendistel und die Artischocke. Die Mariendistel senkt das SHBG und übernimmt damit eine wichtige Funktion, da es keine Medikamente gibt, die dies bewerkstelligen können. Zusätzlich sollte man eine Fehlfunktion der Schilddrüse einstellen lassen.
Hormonersatztherapie
„In der Regel reichen diese Maßnahmen aus, damit es einem wieder gut geht. Wenn das alles nichts nützten sollte, kann man sich auch eine Hormonersatztherapie überlegen, wobei man sich aber über die möglichen Nebenwirkungen informieren sollte“, sagt der Hormonexperte. Bei einer Hormonersatztherapie werden die fehlen Hormone subsituiert, in der Regel unter die Haut gespritzt. Meist handelt es sich um Testosteron, DHEA oder ein Schilddrüsenhormon. „Man darf es aber nur spritzen, wenn es auch wirklich fehlt. Man muss es vorher also genau messen und dann nur die richtige Dosis verabreichen. Das braucht einen erfahrenen Arzt, zum Beispiel einen Urologen, der gleichzeitig ein Männerarzt ist“, hält Metka fest.
Psyche mischt mit
Die Wechseljahre sind jedoch nicht nur auf der Ebene der Hormone zu betrachten. Auch die Psyche spielt in dieser Zeit eine bedeutende Rolle und hat Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden. „Wer in dieser Situation ein Burnout erleidet oder einen Pensionsschock und keinen Lebenssinn mehr erkennen kann, bei dem fallen alle Systeme. Hier hilft auch eine Hormontherapie nur mehr wenig. So ein Mensch kann nur ganzheitlich aufgefangen werden, also mittels psychischer Betreuung plus körperlich-medizinischer Hilfe“, sagt Prof. Metka.
Vorbeugung
Dass sich der Körper im Laufe des Lebens umstellt und verändert, gehört zum biologischen Altern dazu. Es lässt sich durch den Lebensstil nicht aufhalten, jedoch verzögern. Betroffen von der Veränderung sind zum Beispiel das Hormonsystem, die Schilddrüse, die Hoden (erzeugen Testosteron), die Leber und die Nebennierenrinde. Alle diese Organe spielen im Alterungsprozess des Mannes und dem Entstehen der Wechseljahre eine bedeutende Rolle. Ein ungesunder Lebensstil bedeutet eine garantierte Eintrittskarte in die Andropause. Umgekehrt lässt sich mittels gesundem Lebensstil viel tun, um keine oder wenige Beschwerden zu bekommen. Besonders wichtig ist es, Übergewicht zu vermeiden, wenig Körperfett und keinen großen Bauchumfang zu haben sowie sein Leben so zu gestalten, dass Sinn und Freude nicht zu kurz kommen.
Dr. Thomas Hartl
Oktober 2020
Bild: shutterstock/Syda Productions