Körper und Psyche stehen in Wechselwirkung zueinander, sie beeinflussen sich gegenseitig. Auch Körperhaltung und Mimik sind hierbei von Bedeutung. Sie spielen im Leben der Menschen oft eine größere Rolle, als einem bewusst ist.
Die Embodiment-Forschung belegt, dass zwischen der Körperhaltung/Mimik und unserer Stimmung ein eindeutiger Zusammenhang gegeben ist. Die Wirkung verläuft immer in beide Richtungen: Unsere Haltung/Mimik beeinflusst unsere Psyche und umgekehrt.
Der Körper als Bühne für unsere Gefühle
Embodiment-Forschung beschäftigt sich mit der Verkörperung von Stimmung und Gefühlen. Unsere Gefühle äußern sich körperlich und sind Sprachrohr jenes mächtigen Systems, das wir das Unbewusste nennen. „Dieses System macht sich über den Körper bemerkbar: Angst sitzt etwa schwer im Bauch oder lässt uns körperlich erstarren. Bei Glück und Freude springen wir auf, reißen die Arme in die Höhe oder tanzen herum“, sagt Mag. Romi Sedlacek, klinische und Gesundheitspsychologin in Krems und Wien.
Der Körper ist die Bühne für unsere Gefühle. Der Ausdruck von Gefühlen ist in Fällen von großer Freude oder auch Trauer nicht zu übersehen, in der Regel jedoch geschieht er unspektakulär und ohne weiter aufzufallen. Zahlreiche Redensarten weisen richtigerweise auf die Beziehung von Gefühl und Körper hin. Beispiele: „Da geht mir das Herz auf“ (Freude) oder „da bekomme ich so einen Hals davon“ (Ärger).
Schauspieler nützen die Tatsache, dass Körperhaltung den emotionalen Zustand beeinflussen kann, um besser in ihre Rolle schlüpfen zu können. Die Psychologin dazu: „Wir alle können das Wissen um die Körper-Seele-Wechselwirkung für unsere Entwicklung nutzen. Dabei knüpfen wir an uraltes Menschheitswissen an: so werden zum Beispiel Wiegebewegungen seit jeher verwendet, um zu beruhigen, während stampfende Kriegstänze dazu dienen, Zorn und Furchtlosigkeit hervorzurufen.“
Stimmungen gezielt beeinflussen
Gefühle werden mit dem Körper nicht nur ausgedrückt, sie lassen sich über die Haltung sogar beeinflussen. Eine aufrechte Sitzhaltung beeinflusst das Selbstwertgefühl positiv, eine eingesunkene Position, bei der man alles hängen lässt, mindert es. Eine schlechte Haltung lässt uns eher negative Gedanken wälzen. „Gehe ich gebeugt, geht es mir schlechter, richte ich mich dagegen auf, gehe ich offen und aufrecht, fühle ich mich stärker, offener und besser, denn der Körper signalisiert dem Gehirn, dass es aufwärts geht“, sagt die Psychologin.
Auch der Körper profitiert von einer aufrechten Haltung. Gerade zu sitzen und aufrecht zu gehen ist für eine langlebige gesunde Wirbelsäule von entscheidender Bedeutung. „Der Mensch hat sich in der Evolution aufgerichtet und zum aufrechten Gang entwickelt. Vernachlässigt man die aufrechte Haltung und sitzt und geht gekrümmt, dann handelt man der Natur entgegen“, meint die Psychologin.
Gefühle nicht verdrängen
Durch die Wahl der Haltung hat man die Möglichkeit, die eigene Stimmung zu beeinflussen. Das heißt nicht, dass man schlechte Gefühle einfach verdrängen soll. Ein „Kopf hoch“, wird der Situation oft nicht gerecht und kann sogar zynisch wirken. „Eine Haltung nehmen wir ja nicht grundlos ein und es ist von Wert, darauf zu achten, was der Körper mitteilen will. Oft ist Pause angesagt und Rückzug, anstatt sich mit gekünstelter Haltungsänderung in bestimmte Situationen zu zwängen. Wenn man aber soweit ist, dass man wieder bessere Gefühle haben möchte, dann ist das Einnehmen der entsprechenden Körperhaltung eine wunderbare Unterstützung dafür“, sagt die Psychologin.
Posen wie John Wayne
Es gibt eine Haltung, die einen selbst stärkt und auch nach außen hin als kraftvoll und mächtig erscheinen lässt: das sogenannte Power Posing. Wie John Wayne, der Westernheld: breitbeinig, Schultern zurück, Hände in den Hüften, Kopf aufgerichtet, Stirn nach vorne, entsprechende Mimik. Die Haltung bewirkt ein Empfinden von Stärke und Selbstbewusstsein. „In meinen Seminaren lasse ich die Teilnehmenden eine solche Haltung üben. Das macht Spaß und jeder merkt rasch, wie sehr das wirkt und einen auch positiv verändert. “, sagt Mag. Sedlacek.
Schein und Sein
Die eigene Haltung hat auch Einfluss darauf, wie andere uns sehen und bewerten. „Wer ein selbstsicheres Auftreten zeigt, wird als kompetent bewertet, selbst wenn er mitunter nicht viel kann und weiß. Das gilt in der Schule, beim Bewerbungsgespräch, in Job und Karriere und eigentlich in allen Angelegenheiten des Lebens“, sagt die Psychologin. „Oft sind es weniger objektive Tatsachen, die entscheiden, sondern der Schein, den man vermittelt. Selbst Erfolge nützen wenig, wenn die erfolgreiche Person die Haltung eines „Verlierers“ einnimmt und deshalb als solcher eingestuft wird. „Mit gezielten Übungen und professionellem Coaching kann man Negativhaltungen zum Glück überwinden“, sagt Mag. Sedlacek.
Körperübungen bei Depression
Depressive Menschen leiden an „Losigkeiten“: antriebslos, freudlos, lustlos, energielos, schlaflos, sinnlos. Diese Defizite spiegeln sich auch in der Haltung und im entsprechenden Gangmuster wider. „Bei Depressionen können gezielte Körperübungen die sonstige Therapie unterstützen, um Freude und den Lebensfunken wieder anzufachen. Man kann und sollte die Körperarbeit bei der Therapie nicht vergessen“, sagt die Psychologin.
Bewegung als Spannungsabbau
Negative Gedanken und Gefühle hinterlassen im Körper stets eine gewisse Spannung. Mittels Bewegung kann man diese Spannung wieder loswerden. Man kann etwa laufen, Tennis spielen oder auf einen Boxsack einschlagen. „Bewegung ist immer gut, so richtig gut tut sie aber erst, wenn man sie gern macht, wenn sie Lust und Freude vermittelt. Es ist daher sehr wichtig, dass man vieles ausprobiert, bis man die Bewegungsart und den Sport findet, der gut zu einem passt und der einem wirklich guttut“, sagt Mag. Sedlacek.
Der Hund als Psychologe: Spannung abschütteln
Oder man macht es den Tieren nach, etwa den Hunden, die negative Spannungen einfach abschütteln. Ein solches Durchschütteln des Körpers und Wegschütteln negativer Emotionen, wie zum Beispiel Ärger, kann auch der Mensch vollziehen: Man stellt sich im Grätschschritt hin und schüttelt den ganzen Körper gut durch, die Füße, Beine, Rumpf, Arme, Kopf. Das wirkt regenerierend und die Energie kommt wieder in den Fluss.
Lachen befreit und Lächeln wirkt
Ähnlich der Bewegung lässt sich auch mit Lachen Spannung abbauen. Mag. Sedlacek: „Ein herzhaftes Lachen befreit, entlastet, massiert das Zwerchfell, begünstigt die Atmung und generiert im Gehirn Botenstoffe, die Glücksgefühle hervorrufen. Das sogenannte Lach-Yoga nützt dies ganz gezielt. Lachen ist außerdem ansteckend und in einer Gruppe lacht es sich leichter.“
Auch der Gesichtsausdruck ist ein Bindeglied zwischen Psyche und Körper. Lächeln lässt uns nicht nur sympathisch erscheinen, es verbessert unsere eigene Stimmung. Die feinen Muskeln um die Mundwinkel haben einen sensiblen Draht in die entsprechenden Gehirnregionen. Lächeln wir, so funken die Nervenfasern ans Gehirn: Es geht uns gut, die Welt ist wunderbar. Wer lächelt, der findet den Augenblick schöner. Man kann sich daher durch gezieltes Lächeln – ebenso wie durch eine gute Körperhaltung – selbst helfen und in gute Stimmung versetzen.
Nicht umsonst verwenden wir so gerne smileys.
Dr. Thomas Hartl
Juni 2018
Bild: shutterstock