Medizinische Befunde und Beipackzettel sind für viele Menschen eine Quelle der Verunsicherung und Verwirrung. Viele lesen, aber nur wenige verstehen sie. Patienten haben häufig den Eindruck, dass Ärzte in einer Geheimsprache kommunizieren. Da es um die eigene Gesundheit und auch um die Akzeptanz der Therapie geht, sollte man sich beraten lassen, damit man wirklich versteht, was ein Befund tatsächlich aussagt.
Die Sprache der Medizin ist für die meisten Patienten ein babylonischer Wirrwarr. Manche Begriffe sind zwar Allgemeinwissen, doch vieles wird entweder nicht oder falsch verstanden. Oft reden Arzt und Patient aneinander vorbei. Da es jedoch um die persönliche Gesundheit geht, sollte man darauf achten, zu verstehen, was ein Arzt meint oder was ein ärztliches Schriftstück tatsächlich besagt, und sich nicht vor vermeintlich „dummen Fragen“ scheuen.
Rätselhafte Befunde
Ein ärztlicher Befund dokumentiert das Ergebnis medizinischer Untersuchungen. Er enthält Abkürzungen, lateinische und altgriechische Begriffe und unbekannte Kennziffern. Für Patienten ist es daher oft schwer, die Fachbegriffe in Befunden, Arztbriefen und anderen medizinischen Dokumenten zu verstehen.
Es gibt verschiedene Arten von Befunden, hier einige Beispiele: Histologische Befunde zeigen die Untersuchungsergebnisse aus Gewebeproben. Ein psychopathologischer Befund ist das Untersuchungsergebnis eines Psychiaters oder Psychologen. Ein pathologischer Befund zeigt krankhafte Veränderungen auf.
Vor allem radiologische Befunde (Befunde zu bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz- und Computertomographie) geben Rätsel auf. „Diese Befunde versteht fast niemand, zu viele Ausdrücke sind rätselhaft. Viele googeln nach den fraglichen Begriffen und bleiben dennoch ratlos zurück. Dann gehen sie zu ihrem Hausarzt, der ihnen den Befund verständlich macht. Auch die schriftlichen Erklärungen von Chemotherapien sind oft nicht eindeutig genug. Hier ist noch Luft nach oben. „Diese Patienten kommen dann mit ihren Fragen zu mir in die Ordination“, sagt Dr. Sabine Wied-Baumgartner, praktische Ärztin in Linz.
Positiv ist negativ und umgekehrt
Befunde sind positiv oder negativ. In der Arztsprache wird jedoch die übliche Wertung dieser Begriffe auf den Kopf gestellt. Ein positiver Befund über die Gesundheit sagt etwas Negatives aus. Ein Beispiel, das mittlerweile fast jeder kennt: Corona positiv bedeutet, dass man sich mit dem Virus angesteckt hat. Ein positiver Befund bestätigt also eine Erkrankung oder einen „schlechten“ Wert. Negative Befunde dagegen bedeuten, dass keine Krankheitsanzeichen vorliegen, dass also alles in Ordnung ist.
Ein unauffälliger Befund liegt vor, wenn keine „schlimmen“ Veränderungen erkennbar sind und beispielsweise Blutwerte im gesunden Rahmen liegen. Auch die Abkürzung O. B. bedeutet nichts „Schlimmes“, sondern ist die Abkürzung für „ohne Befund“ und besagt, dass keine Krankheitsanzeichen erkennbar sind. Versteht man den ausgestellten Befund nicht, sollte man sich diesen vom ausstellenden Arzt oder vom Hausarzt erklären lassen.
Missverstandene Begriffe und Deutungen
Hier zwei medizinische Begriffe, die häufig missverstanden werden:
Tumor: Tumor ist ein absoluter Angstbegriff, der von fast allen Menschen mit einem bösartigen Krebs gleichgesetzt wird. Ein Tumor kann jedoch gut- oder bösartiger Natur sein. „Der Begriff Tumor beschreibt an sich nur eine Schwellung. Es kann sich auch um Entzündungen, Zysten oder Verhärtungen im Körperinneren handeln. In sehr vielen Fällen ist ein Tumor gutartig und nicht gefährlich. Bei meinen Patienten verwende ich daher das Wort Schwellung, ansonsten verbreite ich völlig unnötig Panik“, sagt die Allgemeinmedizinerin.
Bandscheibenvorfall: Wird ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert, reagieren viele Patienten verschreckt. „Eine solche radiologische Diagnose ist jedoch nichts Schlimmes, denn wenn man danach sucht, findet man bei sehr vielen Menschen einen solchen Vorfall, der oft lange zurück liegt und in vielen Fällen keine Beschwerden auslöst“, sagt Dr. Wied-Baumgartner.
Beipackzettel-Horror
Nicht nur Befunde geben oft Anlass zur Sorge, auch seitenlange Beipackzettel sind nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Oft sind sie ein Sammelsurium an fachspezifischen Formulierungen und Aneinanderreihungen von Dutzenden möglichen Nebenwirkungen. „Da sämtliche möglichen Nebenwirkungen aufgelistet sind, liest sich das wie eine Horrorgeschichte. Auch die unwahrscheinlichsten Nebenwirkungen sind erwähnt – aus rechtlichen Gründen. Ängstlichen Patienten rate ich, nicht auf jedes Detail zu achten, sondern sich vom Arzt oder Apotheker aufklären zu lassen und dann die Therapie auch wirklich durchzuführen“, sagt Dr. Wied-Baumgartner.
Lesen belastet
Das Lesen der aufgelisteten Nebenwirkungen belastet oftmals die Psyche und kann den sogenannten Nocebo-Effekt auslösen. Anders als beim Placebo-Effekt, bei dem ein Medikament ohne Wirkstoff trotzdem hilft, schadet der Nocebo-Effekt. Er besteht darin, dass die bloße Warnung vor möglichen Nebenwirkungen bereits ausreicht, um manche von ihnen tatsächlich auszulösen. „Eine Nocebo-Gefahr besteht ohne Zweifel. Bei manchen Menschen reicht schon das Lesen des Beipackzettels, dass es ihnen schlecht geht“, weiß die Allgemeinmedizinerin.
Angst und Verwirrung
Es ist eine Tatsache, dass Patienten ärztlich verschriebene Medikamente häufig nicht einnehmen. Einer der Gründe liegt darin, dass das Studium des Beipackzettels Ängste auslöst oder für Verwirrung sorgt. „Als Arzt muss sollte man daher mit den Patienten über die Medikamente und deren Wirkungen, Dosierungen und möglichen Neben- und Wechselwirkungen ausreichend sprechen und abklären, ob die Patienten mit der Einnahme einverstanden sind. Nur wenn sie den Sinn der Medikamente kennen und dies akzeptieren, landen diese nicht im Mülleimer“, sagt Dr. Wied-Baumgartner.
Erfreulich ist, dass sich die sprachliche Verständlichkeit von Beipackzetteln in den letzten Jahren merklich gebessert hat. Viele Fachausdrücke wurden mittlerweile durch deutsche und allgemeinverständliche Wörter ersetzt.
Hier einige Beispiele, um den Beipackzettel besser verstehen zu können:
Was die Einnahmezeit von Medikamenten betrifft, bedeutet
- „Auf nüchternen Magen“, dass man mindestens seit vier Stunden nichts gegessen haben soll und man auch nach der Einnahme noch eine halbe Stunde mit dem Essen warten soll.
- „Vor dem Essen“ heißt, dass man mindestens 30 Minuten vor einer Mahlzeit das Medikament nehmen soll.
Beschreibungen von Nebenwirkungen strotzen oft vor Fachausdrücken. Beispiele: Eine Obstipation ist eine Verstopfung, Hyperthyreose eine Überfunktion der Schilddrüse, Pruritus ein Juckreiz, Ikterus eine Gelbfärbung der Haut.
Sind Nebenwirkungen laut Beipackzettel „selten“, kommen sie in 0,01 bis 0,1 Prozent der Fälle vor, „gelegentlich“ bedeutet 0,1 bis 1 Prozent, und „häufig“ 1 bis 10 Prozent.
Arztbesuch vorbereiten
All die Untersuchungen, Diagnosen und Befunde ergeben für einen Patienten nur dann Sinn, wenn er diese versteht. Wurde man bisher nicht ausreichend aufgeklärt in dem Sinn, dass man verstanden hat, was einem genau fehlt und welche Therapie aus welchen Gründen nun vorteilhaft wäre, empfiehlt es sich, sich beim Arzt des Vertrauens beraten zu lassen. Ein solcher Arztbesuch hat vor allem dann Sinn, wenn man diesen auch vorbereitet:
- Sammeln Sie alle bisherigen Unterlagen (Arztbriefe, Diagnosen, Befunde etc.), die mit Ihrem gesundheitlichen Problem im Zusammenhang stehen, in einer Mappe.
- Erstellen Sie eine Liste mit Fragen, die Sie dem Arzt stellen möchten (zum Beispiel: Welche Erkrankung habe ich? Welche Medikamente sind nötig? Wie wirken sie? Gibt es Alternativen? Wie oft und wie lange soll ich sie einnehmen? Wie gefährlich ist meine Krankheit? Gibt es alternative Therapien?)
- Notieren Sie die Namen der Medikamente, die Sie einnehmen oder nehmen Sie diese zum Arzttermin mit. Dazu zählen auch rezeptfreie Medikamente und pflanzliche Präparate sowie Nahrungsergänzungsmittel.
Eine schriftliche Frageliste, die man zuhause macht, ist wichtig, weil man sonst beim Arzt viele Fragen vergisst und plötzlich für unwichtig hält. Man sollte seine Fragen mit dem Arzt Punkt für Punkt besprechen und sich die Antworten gleich in der Ordination stichpunktartig notieren.
Dr. Thomas Hartl
September 2022
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