Hund und Katz, Fisch und Vogel, Meerschweinchen und Hamster – Tiere sind oft Familienmitglieder, Freunde fürs Leben und „Therapeuten“, von denen wir viel lernen können. Allerdings sollte man einiges beachten, bevor man mit einem tierischen Mitbewohner zusammenzieht.
Ich besitze zwei Katzen. Nein, falsch: Sie besitzen mich. Ich bin ihre Dosenöffnerin, Streicheleinheitengeberin und natürlich ihre Bedienerin und Putzfrau. Und natürlich gehören Dinge, die ich eigentlich für mich kaufe, selbstverständlich auch ihnen. Ich denke da nur an neue Polster für die Couch („Ah, wie nett, sie hat uns einen neuen Schlafplatz besorgt!“) oder an alle Arten und Größen von Schachteln, in die sie sich hineinquetschen. Ein bisschen beneide ich sie ja um ihr Selbstbewusstsein und auch um ihre Unabhängigkeit („Gestreichelt und gespielt wird, wenn wir das sagen und wenn du fortgehst, ist uns das egal. Hauptsache du machst den Futternapf voll und das Kisterl sauber!“)
Beruhigende Wirkung
Aber am meisten beneide ich sie um ihr völliges Entspannt-Sein- und Abschalten-Können: Wenn sie sich auf meinen neuen Polstern räkeln und alle Samtpfötchen von sich strecken oder sich neben mir zusammenrollen und schnurrend davon ausgehen, dass ich sie stundenlang kraule. Doch von diesem Kraulen profitieren nicht nur meine Stubentiger, sondern auch ich. Denn: „Einem Tier über das Fell zu streicheln, hat auf Menschen eine beruhigende Wirkung“, sagt Mag. Daniela Schneider, Klinische Psychologin am Kepler Universitätsklinikum in Linz. „Außerdem schüttet aufgrund der angenehmen Berührung nicht nur die Katze das so genannte Glückshormon Serotonin aus, sondern offensichtlich auch der Mensch. Und auch das Bindungs- und Kuschelhormon Oxytocin wird aktiviert.“
Die Lücke füllen
Tiere schenken bedingungslose Liebe. Es ist ihnen egal, welches Outfit, welche Frisur oder welchen Intelligenzquotienten Herrchen oder Frauchen haben. Sie lieben uns, auch wenn wir ungeschminkt sind und in der Jogginghose herumrennen.
„Für uns Menschen ist es ein Grundbedürfnis, Liebe zu geben“, so die Expertin. Wenn sonst niemand zum Liebhaben da ist, kann ein Tier die Lücke füllen. Aber natürlich sollte es nicht so sein, dass man gar keine zwischenmenschlichen Beziehungen mehr führt. Für die leere Zeit, etwa wenn die Kinder ausgezogen sind oder man keinen Partner hat, sind Tiere ein guter, aber sicher kein vollständiger Ersatz, betont die Psychologin.
Gute Vermittler
Apropos Beziehungen und Soziales: Tiere sind oft gute Vermittler, vor allem für Menschen, denen es schwer fällt, Kontakte zu knüpfen. Beim Gassigehen mit Lumpi oder Wasti an der Leine kommt man leichter ins Gespräch mit wildfremden Menschen als wenn man alleine seine Runden dreht. Mag. Schneider: „Die tägliche Bewegung ist ein weiterer Pluspunkt, wenn man einen Hund hat. Denn mit ihm muss man die Wohnung verlassen und rausgehen. Außerdem geben Tiere dem Tag eine Struktur, da sie regelmäßig gefüttert werden müssen.“
Es gibt Menschen, die nicht oder nur schwer über ihre Gefühlslagen reden können. Sind sie Tierbesitzer, tun sie sich damit vielleicht ein bisschen leichter. Denn oft äußern sie ihre Gefühle über ihre „Viecherl“: „Gell, heut ist ein mieser Tag, uns geht’s gar nicht gut.“ In Wirklichkeit geht’s nur Frauchen oder Herrchen schlecht, Hund und Katze sind bestens aufgelegt. „Tiere helfen sozusagen dabei, über Gefühle reden zu können, was sich wiederum positiv auf die eigene Stimmung auswirken kann“, erklärt die Psychologin. „Studien haben außerdem gezeigt, dass sich durch den Kontakt zu Tieren die soziale Interaktion und psychische Symptome bei Demenzkranken verbessern kann.“
Stressfreies Leben
Haustiere geben uns nicht nur viel, wir können auch viel von ihnen lernen. Zum Beispiel das Nichtstun ohne schlechtes Gewissen, um das ich meine Stubentiger so beneide. „Eine Katze ist rund vier Stunden am Tag aktiv, die restliche Zeit schaltet sie völlig ab und genießt das auch. Daran können wir uns echt ein Beispiel nehmen“, rät Mag. Schneider. „Von Hunden können wir uns abschauen, dass sie sich so unglaublich freuen können.“ Auch einen jungen Hund könnte man sich als Vorbild nehmen. Führt er doch sprichwörtlich ein unbeschwertes, stressfreies Leben.
Positiv für Kinder
Kinder und Haustiere – was sollte dabei beachtet werden? Mag. Schneider: „Haustiere sind grundsätzlich positiv für Kinder. Es gibt Studien, die besagen, dass Tiere Geborgenheit vermitteln, Kinder seltener krank werden, leichter lernen und sie einen Gesprächspartner haben. Allerdings denken Kinder nicht planerisch und ziehen auch keine Schlussfolgerungen. Daher sollten sie nicht die volle Verantwortung für ein Tier – ganz egal, ob Hamster, Schildkröte oder Katze – haben. Im schlimmsten Fall sind sie womöglich schuld am Tod des Tieres und das soll auf keinen Fall sein. Kinder können sich um Haustiere kümmern, aber nur, wenn Eltern helfend dabei sind.“
Überlegungen im Vorfeld
Bevor man eine Tier-Mensch-Beziehung eingeht, muss man sich vorher viele Dinge sehr gut überlegen – vor allem, was das Tier braucht. Dazu die Expertin: „Ein Tier ist ein Lebewesen, das Bedürfnisse hat und das artgerecht gehalten werden muss. Die Mindeststandards, die das jeweilige Tier braucht – etwa Käfiggrößen bei Kleintieren oder Vögeln – müssen eingehalten werden.“ Man muss deshalb im Vorfeld unter anderem klären, wie alt das Tier werden kann, wo man es während der Urlaubszeit unterbringen könnte, ob man genug Zeit, Geld und Platz hat oder ob Allergien in der Familie bestehen. Kranken oder einsamen Menschen können Tiere gut tun, vorausgesetzt sie sind nicht überfordert damit.
Außerdem sollte man sich überlegen, welche Beziehung man zu dem Tier haben will. „Reptilien oder Fische sind nicht so kontaktfähig wie domestizierte Katzen oder Hunde und sind keine Kuscheltiere. Papageien wiederum sind nur auf eine Person fixiert und nicht auf mehrere Familienmitglieder. Grundsätzlich wählt man aber sein Haustier meistens nach den eigenen Interessen aus“, so Mag. Schneider. „Ein Jäger wird sich einen Jagdhund nehmen. Ein Mensch, der sehr viel Wert auf Ordnung legt, wird sich wahrscheinlich keinen irischen Wolfshund kaufen. Der macht auch frisch gestriegelt einen schmuddeligen Eindruck.“ Fische wiederum können eine sehr beruhigende und entspannende Wirkung haben, wenn sie durchs Wasser gleiten. Nicht umsonst haben manche Zahnärzte ein Aquarium in ihrem Behandlungsraum. Allerdings ist ein Aquarium ein großer Aufwand. „Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man sich eines anschafft“, warnt Mag. Schneider. Außerdem rät die Expertin, Katzen oder Hunde nicht nach optischen Gesichtspunkten auszusuchen, sondern jenes Tierchen zu nehmen, „das als erstes auf mich zuläuft.“
Cornelia Schobesberger
November 2022
Bild: hema