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Fasten – der gesundheitliche Aspekt

Fasten – der gesundheitliche Aspekt

Fasten ist viel mehr als nicht essen. Es hat viele Wirkungen auf Körper und Geist und stößt heilsame Prozesse an. Der zeitweilige Nahrungsverzicht wirkt nicht nur verjüngend und regenerierend, auch die medizinische Bedeutung wird immer besser erfassbar. Nach und nach erkennt man das Potenzial, das im Fasten liegt. 

Die wissenschaftliche Forschung der vergangenen zehn Jahre belegt mannigfaltige Zusammenhänge zwischen einem zeitweiligen Nahrungsentzug und der Gesundheit. Gibt man in PubMed (das ist die größte Medizindatenbank der Welt) das Wort Fasten ein, so findet man über 140.000 Studien dazu. „Lange Zeit wurde das Fasten von der Medizin belächelt. Doch die Zusammenhänge wurden mit den Jahren immer klarer und auch wissenschaftlich belegt, sodass diese heute niemand mehr leugnen kann“, sagt Dr. Martin Pinsger, Leiter des Schmerzkompetenzzentrums Bad Vöslau. 

Nobelpreis 

„In der Schulmedizin ist Fasten als medizinischer Faktor allerdings erst im Jahr 2016 so richtig angekommen, als Yoshinori Oshumi der Medizinnobelpreis zum Thema Autophagie, dem Zell-Recycling beim Fasten, verliehen wurde. Dieser Preis hat vieles verändert“,

Fasten ist nicht unnatürlich 

Die Wissenschaft bestätigt damit die Erfahrungen, die Millionen Menschen rund um den Globus schon seit langer Zeit machen: Dass Fasten nichts Unnatürliches ist. Zeitweiliges Fasten gehört genauso zur Natur wie das Essen. Es ist ein evolutionsbiologisch sinnvolles Unterfangen. Menschen aller Kulturen tun es, gewollt und ungewollt. Während der heutige Mensch der westlichen Welt Essenspausen freiwillig einlegt, waren diese Phasen in vergangenen Zeiten der Not geschuldet. Evolutionär gesehen ist der Mensch ein Jäger und Sammler. Als solcher musste er immer wieder mit Phasen ohne Nahrungsaufnahme zurechtkommen, etwa bei ausgebliebenem Jagderfolg.  

„Es sind diese Pausen, die unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit unterstützen. Dauern sie nicht zu lange, steckt das unser Organismus nicht nur bravourös weg, er wird dadurch sogar zäher, stärker, leistungsfähiger und gesünder“, sagt Dr. Pinsger.  

Viele Arten des Fastens 

Es gibt nicht die eine, zu bevorzugende Fastenkur und Fastenart, sondern es sind verschiedene Formen möglich: Heilfasten nach Buchinger, F.-X.-Mayr-Kur, Molkekur, Saftfasten, Intermittierendes Fasten. Ob zwei Wochen oder fünf Tage oder nur 16 Stunden am Stück – viele Varianten zeigen Wirkung. Jeder Mensch hat damit ein Werkzeug zur dauerhaften Verbesserung der eigenen Gesundheit in Händen.  

Fasten greift in Körperprozesse ein 

Schon nach einem Tag ohne den gewohnten Nahrungsnachschub sind die Zuckerreserven in der Leber aufgebraucht und es beginnt der Fettabbau. Doch eine mögliche Gewichtsreduktion ist nicht Ziel des Fastens, sie ist ein Nebenprodukt.  

Das Fasten greift in viele verschiedene Vorgange im Körper ein, die sich gegenseitig beeinflussen. Der freiwillige Nahrungsentzug wirkt wie ein heilsamer Schock auf den Körper und löst eine Flut von biochemischen Reaktionen aus.  

Entzündungshemmer 

Fasten hat durchaus auch medikamentöse Wirkung. Ein entscheidender Faktor dabei: Fasten hemmt Entzündungen. So sinkt bei Fastenden in der Regel der Gehalt von „C-reaktivem Protein“ im Blut, eines Entzündungsmarkers, der bei Infektionen und Gewebeschäden ansteigt. Dadurch hilft Nahrungsverzicht bei chronischen Schmerzen und Rheuma. Es kann darüber hinaus bei vielen chronischen Erkrankungen und bei Altersleiden wie Demenz helfen. Auch senkt Fasten einen zu hohen Blutdruck. 

Fasten beruhigt 

Beim Fasten fehlt es dem Gehirn plötzlich an Zucker; auch Kaffee, Alkohol, Gewürze und Glutamat werden ausgespart. Alles, was putscht und aufregt, ist plötzlich weg. „Darum stellen sich beim Fasten oft Wirkungen ein, die sonst oft nur unter dem Einfluss von beruhigenden Medikamenten zu erwarten sind: innere Ruhe und Ausgeglichenheit, bessere Stimmung und auch besserer Schlaf“, sagt der Mediziner. 

Fasten wirkt auf mehreren Ebenen verjüngend auf die Zellen. Im Folgenden werden zwei entscheidende Faktoren aufgezeigt – die Rolle der Autophagie und die der Telomere. 

Autophagie – Zellreinigung durch Fasten 

Fasten reinigt nicht nur gefühlsmäßig Körper und Geist, sondern es hilft bei der Reinigung der Zellen und hält diese gesund. Diese Reinigung geschieht durch einen Prozess, den man Autophagie nennt. Es handelt sich dabei sozusagen um die Müllabfuhr und das Recyclingsystem der Zellen. Dabei werden beschädigte Zellteile abgebaut und wiederverwertet. Die oft erhebliche zelluläre Vermüllung wird dadurch reduziert und die Zellen werden wieder leistungsfähiger. „Dieser Selbstreinigungsprozess ist lebenswichtig, denn Störungen im Zellstoffwechsel können nicht nur den Alterungsprozess beschleunigen, sondern auch zu Erkrankungen wie Diabetes oder Krebs führen“, sagt Dr. Pinsger. 

Auch Intervallfasten wirkt 

Wer es nicht schafft, wenigstens einmal im Jahr einige Tage eine Fastenkur durchzuführen, der kann auch im Rahmen der täglichen Nahrungsaufnahme dazu beitragen, dass die Zellen gereinigt werden. Beispielsweise durch Intervallfasten. Hier isst man nur in einem Zeitraum von acht Stunden, die restlichen 16 Stunden nimmt man keinerlei Kalorien zu sich. „Das hilft der Zellreinigung, denn nach etwa 12 bis 16 Stunden ohne Nahrung kommt dieser so wichtige Prozess in Gang“, sagt Dr. Pinsger. 

Telomere – die Schuhbänder des Lebens 

Der Alterungsprozess des Menschen und seine Gesundheit hängen wesentlich von der Länge seiner Telomere ab. Je schneller diese verschleißen, desto schneller altert der Mensch und desto weniger gesunde Jahre hat er. Telomere sind kurze DNA-Sequenzen an den Enden der Chromosomen und mit einer speziellen Schutzkappe aus Proteinen umgeben. Man kann sich das optisch wie ein Schuhband vorstellen: Telomere sind das Endstück des Bandes, die mit den Schutzkappen geschützt sind. Dieser Schutz soll, ähnlich der Plastikverstärkung des Schuhbands, ein „Ausfransen“ unseres Erbguts verhindern. 

Mit jeder Zellteilung verkürzen sich die dazugehörigen Telomere ein wenig. Die Geschwindigkeit der Verkürzung ist ein Indikator, wie schnell wir altern. Kürzere Telomere erhöhen das Risiko, Alterskrankheiten wie Atherosklerose oder Diabetes früher zu bekommen.

Wie rasch sich die Telomere verkürzen, darauf hat der Mensch mit seinem Lebensstil Einfluss. Bedeutende Bausteine dabei sind die Ernährung und das Fasten. Telomerfreundliche Lebensmittel sind Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Meeresalgen, Fisch, Vollkornprodukte, Nüsse, Samen, grüner Tee, Kaffee. Negativ sind Junkfood, zuckerhaltiges Essen und Trinken, rotes Fleisch, Weißbrot, Fertigprodukte, hoher Alkoholkonsum.  

„Auch das Heilfasten ist für lange Telomere wichtig. Den Zusammenhang könnte man verkürzt so beschreiben: Das Enzym Telomerase verhindert die vorzeitige Verkürzung der Telomere. Die Aktivität der Telomerase ist stark abhängig von Zellstress. Fasten reduziert diesen Zellstress und ist somit wirksam bei der Erhaltung der Telomerlänge“, erklärt Dr. Pinsger.  

Wohlgefühl und Fastenkick 

Fasten beeinflusst auch die Psyche. „Viele erleben ein lange nicht mehr erfahrenes Gefühl von Frische, Reinheit und Vitalität. Dieses Gefühl hält auch einige Zeit lang an, oft sogar eine paar Monate, natürlich in Abhängigkeit vom weiteren Lebensstil. Fasten erzeugt ein starkes Wohlgefühl. Viele erleben ein sogenanntes Fasten-High, also ein Stimmungshoch oder gar Euphorie. Man möchte bald wieder fasten und sich diesen Fastenkick erneut holen“, sagt der Mediziner. 

Unerwünschte Reaktionen 

Beim gezielten Heilfasten kommt es zu keinem Mangel an Vitaminen, Spurenelementen oder essenziellen Fettsauren. Aber Achtung! Fasten ist keine modische Diät und auch keine sanfte Medizin und kann durchaus unerwünschte Reaktionen mit sich bringen, wie etwa Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Schlaflosigkeit, niedrigen Blutdruck, Müdigkeit, Schwächegefühl, Schwindel und erhöhtes Kälteempfinden. Fastenneulinge sollten daher ihr erstes Fastenerlebnis in einer gut geführten Fastengruppe inklusive ärztlicher Begleitung machen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. 

Nicht alle dürfen fasten 

Fasten ist für die meisten erwachsenen Menschen unbedenklich. Aber es gibt auch Menschen, die generell nicht fasten sollen: Dazu zählen Schwangere, Stillende, Kinder, Jugendliche und Hochbetagte. Auch Patienten mit bestimmten Stoffwechselerkrankungen oder im Fall von Krebs mit Metastasen oder bei bestimmten Gendefekten sollten nicht fasten. Psychisch Kranke, Menschen mit Diabetes Typ 1, Essstörungen, Nierenleiden oder niedrigem Blutdruck stehen ebenfalls auf der Negativliste. Alle anderen dürfen, ja sollen, fasten. Bevor man jedoch tatsachlich mit dem Fasten beginnt, sollte man sein Vorhaben mit einer fachkundigen Person (Arzt, Diätassistent) besprechen – das gilt umso mehr, wenn man Medikamente einnehmen muss. Allgemein gilt: Längere Fastenkuren nicht ohne ärztliche Kontrolle beginnen! 

Abgrenzung 

Fasten als zeitlich limitierte, gezielte Nahrungsmittelreduzierung hat nichts mit Essstörungen (wie beispielsweise Magersucht) zu tun. Diese sind gesundheitsschädlich und gefährlich, sie können sogar tödlich enden. In schweren Fällen von Magersucht werden die Fettreserven und die Proteine (Eiweiße) aufgebraucht, die Muskulatur geht verloren und die inneren Organe werden angegriffen.

 

Dr. Thomas Hartl
Februar 2023


Bild: Olga Miltsova/shutterstock.com




 

 

Zuletzt aktualisiert am 02. Februar 2023