Das Starren auf den Bildschirm gehört für viele Menschen zum Alltag. Sei es, ob sie am Computer arbeiten, im Internet surfen oder stundenlang Computerspiele spielen, eines ist ihnen gemeinsam: sie sitzen eintönig für viele Stunden auf einem Stuhl, heften den Blick auf einen Bildschirm, bewegen meist nur Augen und Finger, und bekommen dadurch im Laufe der Zeit Verspannungen und Schmerzen und letztlich auch Schäden am Bewegungsapparat oder in den Händen und Armen.
Körperliche Probleme, die mit dem Computer zusammenhängen, entstehen meist wegen einer Überlastung von Muskeln, Sehnen und Knochen sowie Körper-Fehlhaltungen. Vor allem das lange und eintönige Sitzen führt zu Beschwerden und schließlich zu Erkrankungen. Eine dritte Ursache liegt in der bei vielen Menschen nicht trainierten und daher unterentwickelten Muskulatur. „Außerdem ist der Mensch einfach nicht zum dauerhaften Sitzen gemacht, wir brauchen die körperliche Bewegung“, sagt Primar Dr. Christian Mittermaier vom Institut für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Kepler Universitätsklinikum in Linz.
Zusatzbelastung Stress
Verstärkt werden die Probleme zudem durch Stress. Weil Stress die Grundspannung im Körper erhöht und die Muskulatur verspannt, welche wiederum an Sehnen und an Knochen/Wirbeln zerrt, entwickeln Gestresste schneller krankhafte Beschwerden. „Der Zusammenhang ist klar erkennbar. Ohne Stress in der Arbeit würden weniger therapiebedürftige Verletzungen und Erkrankungen entstehen“, gibt Primar Mittermaier zu bedenken.
Schmerzen im Nacken und Rücken
Langes statisches Arbeiten sowie eine Fehlhaltung im Sitzen und ein nicht ergonomischer Arbeitsplatz führen mit der Zeit zu Problemen im Nacken-Schulter-Bereich, wobei sich die Muskeln schmerzhaft verspannen und verkrampfen. „Die häufigsten Fehler am Arbeitsplatz sind, dass die Bildschirm- und Tischhöhe falsch eingestellt ist und der Bildschirm oft seitlich platziert ist, wodurch man stundenlang den Kopf auf diese eine Seite drehen muss und dadurch die Muskulatur einseitig beansprucht“, sagt Primar Mittermaier.
Optimiert man seinen Arbeitsplatz nicht und behält man seine Fehlhaltung beim Sitzen auch dann bei, wenn man bereits Schmerzen spürt, dann können daraus chronische Schmerzen beziehungsweise ein chronisches Zervikalsyndrom entstehen. Das bedeutet, dass die betroffenen Körperregionen immer häufiger und schließlich dauerhaft zu schmerzen beginnen. Im schlimmsten Fall entwickelt sich eine chronische Schmerzerkrankung, die sich nur sehr schwer und therapieren lässt und einen mitunter lebenslang begleitet.
Schäden an den Bandscheiben
Langes Sitzen verstärkt den Druck auf die Bandscheiben enorm. Bei vielen Computerarbeitern oder -spielern nützen sich die Bandscheiben im Laufe Zeit in der Halswirbelsäule – und unter Umständen auch in der Brustwirbelsäule oder Lendenwirbelsäule – ab. Es kann zu Bandscheibenvorwölbungen oder auch zu Bandscheibenvorfällen kommen. Bandscheiben sind eine Art Stoßdämpfer und Puffer zwischen den Wirbeln. Sie bestehen aus einer Hülle aus Knorpelfasern und einem gelartigen Kern. Bei einem Bandscheibenvorfall wird ein Teil des Gewebes der Bandscheibe zwischen den Wirbelkörpern nach außen gedrückt. Beschwerden treten dann auf, wenn ausgetretenes Gewebe auf eine Nervenwurzel oder einen Nerv drücken.
Mausarm
Während Sie diesen Artikel lesen, sitzen auch Sie vermutlich weitgehend bewegungslos, während eine Hand die Maus umschließt. Einzig der Zeigefinger krümmt sich, drückt auf die linke Maustaste, entspannt kurz, drückt wieder, entspannt, drückt wieder … Wer das tausende Mal am Tag macht, läuft Gefahr, dass sich daraus körperliche Probleme ergeben. Das bekannteste ist der sogenannte Mausarm (Fachausdruck: RSI-Syndrom. Abkürzung für Repetitive Strain Injury – wiederholte Belastungs-Verletzung).
Wer stundenlang mit einem Finger auf eine Computermaus drückt, belastet die Hand beziehungsweise den Unterarm. Durch eine solche Überbeanspruchung kann es im Laufe der Zeit zu Schmerzen in Hand, Arm, Schulter und Nacken sowie zu Gefühlsstörungen (etwa dem sogenannten Ameisenlaufen) kommen – vor allem, wenn die Körperhaltung nicht optimal ist, man keine Pausen macht und gestresst ist. „Solche wiederkehrenden Bewegungen belasten die Gelenke, Muskeln, Sehnen und Nerven. Zu Beginn eines RSI spürt man leichte Schmerzen, Kribbeln oder Taubheit, später treten stärkere Gefühlsstörungen und Schmerzen schon bei geringen Belastungen auf. Man sollte das nicht ignorieren, sonst führt das auf Dauer zu einem chronisch schmerzhaften Zustand“, warnt Primar Mittermaier.
Karpaltunnelsyndrom
Dauertippen sowie die ungesunde Haltung der Handgelenke am Laptop oder an einer externen Tastatur können auch das Karpaltunnelsyndrom auslösen. Dabei kommt es oft durch eine Fehlhaltung der Hand zu Reizungen und Schwellungen im Handgelenksbereich und letztlich zu einer schmerzhaften Entzündung des Handgelenks.
Am Handgelenk laufen Nerven und Sehnen durch einen schmalen Kanal im Knochen. Wird das Handgelenk ständig abgeknickt, kann das auch die Sehnen entzünden. Sie werden dicker und drücken dann auf den Handnerv (Nervus medianus). Das kann starke Schmerzen verursachen, die sich bis zum Ellbogen und mitunter bis in die Schulter ziehen können. Auch kann es zu Taubheitsgefühlen in den Fingern (vor allem Daumen bis Mittelfinger) kommen.
Um ein Karpaltunnelsyndrom zu vermeiden, sollte man unbedingt Handballenpolster benutzen, denn diese verhindern ein Abknicken der Handgelenke. In fortgeschrittenen Fällen kann mitunter nur eine Operation helfen, um dem bedrängten Nerv mehr Platz zu verschaffen.
Sehnenscheidenentzündung
Ein typische Überlastungsfolge infolge von Arbeiten oder Spielen am Computer ist die Sehnenscheidenentzündung. Wird ein Gelenk extrem beansprucht, kann sich die Sehne in der Scheide entzünden. Die Entzündung erfolgt schleichend über Tage oder Wochen hinweg, die betroffene Sehnenscheide beginnt zu schmerzen, wobei sich der Schmerz mit den Tagen steigert und sehr stark werden kann. Die Schmerzen treten meist auf der Rückseite der Hand auf.
Als Gegenmaßnahmen helfen Schmerzmittel und Schonung. Es kann einige Tage bis Wochen dauern, bis die Entzündung abgeklungen ist. Bei massiven Schmerzen kann das Gelenk mit einer Schiene ruhiggestellt werden. Eine Operation kommt in seltenen Fällen dann in Betracht, wenn konservative Methoden erfolglos bleiben.
Problemen vorbeugen
Bei vorliegenden Schmerzen wird in vielen Fällen Schonung, Schmerztherapie und physikalische Therapien wie Physio- und Ergotherapie verordnet. Sinnvoller wäre es, es erst gar nicht zu Problemen kommen zu lassen und vorzubeugen. Konkret geht es darum, eine korrekte Haltung zu erlernen, die Muskeln zu stärken, zu dehnen und zu mobilisieren. Jedes der oben angeführten körperlichen Probleme entsteht durch das eigene Verhalten und ist daher vermeidbar. Hier einige Tipps, wie man den Bewegungsapparat entlastet, auch wenn man regelmäßig vor dem Bildschirm sitzt:
Abwechslung und Bewegung: Der Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Bewegen bei der Büroarbeit beugt Fehlbeanspruchungen vor. Idealerweise ändert man die Position mehrmals pro Stunde. Bewegt arbeiten gelingt auch, indem man verschiedene Bürogeräte wie etwa den Drucker möglichst weit weg vom Schreibtisch platziert, um oft aufstehen zu müssen. Es geht darum, dass man nicht starr in der immer gleichen Körperhaltung verharrt. Jede Eintönigkeit ist schädlich. Mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch, kann man zwischendurch im Stehen arbeiten.
Sinnvolle Pausen: Wichtig ist, immer wieder Pausen einzulegen, aufzustehen und sich zu bewegen, zu dehnen und zu recken. Telefonieren kann man oft auch im Stehen oder Gehen. Ideal wäre es, wenn man zwischendurch ein paar Körperübungen einlegen kann. „Grundsätzlich gilt: Wer den Tag über viel sitzt, sollte sich in der Freizeit umso mehr bewegen“, sagt Primar Mittermaier.
Muskulatur kräftigen: Kräftigungsübungen der Muskulatur (Nacken, Schultern, Rücken und Arme) stärken die beanspruchten Regionen und beugen Problemen zu einem gewissen Grad vor. Für Einsteiger ist es wichtig, sich zu Beginn von einem Physiotherapeuten oder Fitnesstrainer professionell anleiten zu lassen. Danach ist es gleichgültig, ob man zuhause oder in einem Fitnessstudio trainiert.
Ergonomischer Arbeitsplatz
Ein individuell angepasster Arbeitsplatz hilft dabei, die beschriebenen körperlichen Probleme zu vermeiden. Folgende Punkte gilt es zu beachten:
- Der Bildschirm sollte so platziert sein, dass der Betrachter geradeaus schaut. Kopf und Oberkörper sollten nicht verdreht werden.
- Bildschirmhöhe: Der Bildschirm steht in optimaler Höhe, wenn der Kopf beim Blick auf den Bildschirm ganz leicht gesenkt ist (Doppelkinn-Stellung) Laptops sind meist zu niedrig, separate Bildschirm sind oft zu hoch platziert.
- Tastatur: Sie sollte flach aufgestellt sein, Tastaturfüße einklappen, das vermindert mögliche Sehnenscheidenprobleme.
- Handballenauflagen für Tastatur und Computermaus verwenden.
- Die Maus sollte sich möglichst nahe am Körper befinden, um einem Mausarm vorzubeugen; der Arm sollte also nicht allzu sehr gestreckt sein.
- Stuhl: Unter- und Oberschenkel sollten in etwa im rechten Winkel sein.
- Das Gesäß soll die Lehne berühren und die Kniekehlen nicht gegen die Sitzfläche gepresst werden; hier sollte eine Handbreit Abstand bestehen.
- Die Höhe der Wölbung der Lehne soll an den eigenen Rücken angepasst werden; diese sollte gegen die Wirbelsäule drücken und nicht gegen das Gesäß.
- Ein guter Stuhl ist wichtig; beim Kauf sollte man sich beraten lassen und Probe sitzen.
- Gute Schreibtischstühle haben eine Sitzfläche, die sich dreidimensional bewegen lässt, sie wirkt wie ein kleines Trainingsgerät.
- Höhenverstellbare Armlehnen entlasten die Halswirbelsäule; Ellbogen beziehungsweise Unterarme sollten auf den Armlehnen liegen, die Unterarme auf der Schreibtischplatte.
- Laptops sind keine Dauerlösung. Hat man keine Alternative zum Laptop, sollte man eine externe Tastatur anschließen und den Bildschirm mittels Laptophalter auf die richtige Höhe bringen.
Dr. Thomas Hartl
März 2023
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