DRUCKEN
Depression – keine Bagatelle

Depression – keine Bagatelle

Depressionen zählen zu den häufigsten Erkrankungen. Man sollte sie in jedem Fall ernst nehmen und keinesfalls bagatellisieren. Depressionen können verschiedene Ursachen haben und vielfältige Symptome hervorrufen. Typische Anzeichen sind eine gedrückte Stimmung, tiefe Erschöpfung und der Verlust jeglicher Freude. Neben einer professionellen Therapie können Betroffene auch selbst Maßnahmen zur Besserung ihres Zustandes setzen.

 

Depressionen zählen zu den am weitesten verbreiteten Krankheiten in Österreich. Frauen sind öfter betroffen als Männer. Depressionen wirken sich nicht nur negativ auf das Wohlbefinden der Betroffenen und ihrer Angehörigen aus, die Krankheit bewirkt auch eine hohe Zahl an Krankenständen und frühzeitigen Pensionierungen. Nicht behandelte Depressionen sind der häufigste Suizidgrund. Obwohl Depressionen eine Erkrankung darstellen, empfinden viele Betroffene ihr Problem fälschlich als persönliches Versagen.

 

Symptome

 

Es gibt mehrere Hauptsymptome: gedrückte Stimmung, innere Gefühlsleere, Interessen- und Freudlosigkeit, verminderter Antrieb, rasche Ermüdbarkeit, Einschränkungen der Aktivität. Darüber hinaus gibt es Zusatzsymptome wie sozialer Rückzug, Gefühle der eigenen Wertlosigkeit, vermindertes Selbstvertrauen, Schuldgefühle, pessimistische Gedanken, Schlafstörungen, verminderter Appetit, kognitive Beeinträchtigungen, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit – aber auch Selbstverletzung, Suizidgedanken und Suizidhandlungen.

 

Die Symptome sind von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ausgeprägt. Bei Männern zeigen sich vermehrt auch folgende Faktoren: Geringe Stresstoleranz, erhöhte Risikobereitschaft, leichte Irritierbarkeit, vermehrter Substanzmittelmissbrauch (Alkohol und Drogen) und gesteigerte Aggressivität.

 

Ursächliche Faktoren

 

Der Begriff der Depression umfasst ein weites Spektrum. Es handelt sich um keine einheitliche Krankheit, die sich bei jedem gleich zeigt. Sie muss von Fall zu Fall differenziert betrachtet und therapiert werden. Da Depressionen in schweren Fällen auch lebensbedrohlich sein können (Suizidgefahr), bedürfen sie jedenfalls einer professionellen Behandlung.

 

Es gibt viele Faktoren, die zur Entstehung von Depressionen beitragen können:

Biologische Faktoren: Depressionen können durch Veränderungen im Gehirn und im Hormonhaushalt verursacht werden. Dabei spielen die Funktionskreisläufe von Neurotransmittern wie Serotonin und Noradrenalin, die für die Stimmungsregulation wichtig sind, eine Rolle.

 

Genetische Faktoren: Depressionen können auch durch eine genetische Veranlagung verursacht werden. Depressionen treten daher oft in Familien gehäuft auf.

 

Psychologische und soziale Faktoren: Stress, traumatische Erfahrungen, Beziehungsprobleme, Verluste und andere schwierige Lebensereignisse können das Risiko für eine Depression erhöhen; ebenso Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme, Wohnungslosigkeit und auch chronische Belastungen.

 

Sehr häufig ist es eine Kombination mehrerer Faktoren, die letztendlich zu einer Depression führt. Eine Depression ist nicht Folge persönlichen Versagens. Ob jemand zu Depressionen neigt, ist einerseits Veranlagungssache, andererseits wird man auch durch den gesamten Lebensprozess geprägt. „Dass man auf einen Schicksalsschlag depressiv reagiert, ist normal. Ob und wann man sich davon erholt, dabei spielen viele Faktoren mit. Etwa, ob man eine gefestigte Persönlichkeit entwickeln konnte, welche Vorbilder man als Heranwachsender hatte, wie die Eltern mit Krisen umgegangen sind, wie man aufgewachsen ist. Alles zusammen spielt gemeinsam mit den biologischen und genetischen Faktoren eine Rolle“, erklärt Prim. Dr. Jörg Auer, Vorstand der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am Kepler Universitätsklinikum Linz.

 

Resilienz

 

Einen bedeutenden Einfluss, wie man auf die Belastungen und Herausforderungen des Lebens reagiert, hat die persönliche Resilienz. „Manche Menschen sind biologisch sehr fit und resistent, die kann fast nichts erschüttern. Andere werden schon von mittleren Belastungen überfordert. Dann ist es besonders wichtig, an der eigenen Widerstandsfähigkeit zu arbeiten und gut auf sich und seine Bedürfnisse zu achten“, sagt der Psychiater.

 

Breites Spektrum

 

Depressionen treten in verschiedenen Formen und Ausprägungen auf. Die erste Hauptgruppe kennzeichnet vorwiegend eine biologische Erkrankung, die nicht im Zusammenhang mit persönlichen Belastungen stehen muss. Sie kann also ohne große Drucksituationen auftreten. Diese Form der Depression tritt häufig als wiederkehrende Erkrankung auf. Die zweite Hauptgruppe der Depressionen tritt bei großen persönlichen Belastungen auf. Zusätzlich gibt es verschiedene Mischformen. Darüber hinaus existiert die sogenannte Winterdepression, bei der die Symptome vorwiegend in der dunkleren Jahreszeit (Herbst und Winter) auftreten.

 

Leicht bis schwer

 

Depressionen werden nach dem Schweregrad in leicht, mittel und schwer eingeteilt. „Um es anschaulich zu formulieren, lässt sich verkürzt sagen, dass als leicht depressiv bezeichnet werden kann, wer sich zwar nicht wohl fühlt und verschiedene Symptome spürt, aber noch in der Lage ist, seinem Beruf nachzugehen und die häuslichen Aufgaben zu übernehmen. Als mittelschwer gilt, wer entweder Beruf oder Haushalt nicht mehr bewältigen kann. Schwer Depressiven ist nichts mehr davon möglich“, sagt Primar Auer.

Die leichte Form tritt vorwiegend bei durch Belastungssituationen versursachten Depressionen auf, bei der schweren Form hat die biologische Komponente einen großen Anteil.

 

Therapie

 

Bevor man sich an die Therapie macht, gilt es die Ursachen der Depression zu finden, denn daran sollte sich die Therapie orientieren. Es gilt also zu erkennen, ob und welche Lebensprobleme vorliegen und sich im betreffenden Bereich Beratung und Hilfe holen (beispielsweise bei Schulden die Schuldnerberatung aufsuchen). Lassen sich die belastenden Probleme nicht klar eingrenzen und zuordnen und dauern die Symptome länger an, sollte man unbedingt eine Therapie beginnen.

 

Bei frühzeitiger Diagnose ist die Depression gut behandelbar und die Heilungschancen sind groß. Die beiden wichtigsten Säulen der Therapie sind Medikamente und Psychotherapie.

 

Bei Vorliegen einer Depression herrscht im Gehirn eine Dysfunktion der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin. Dies kann durch Antidepressiva ausgeglichen werden.

 

Es stehen viele verschiedene Antidepressiva zur Verfügung. Vor allem bei mittelschweren und schweren Depressionen werden diese Medikamente verordnet. „Ein Teil der Patienten ist aber skeptisch und zögert sehr lange, bis er sich zur Einnahme entschließen kann. Viele verstehen ihre Depression vor allem als Folge von schwierigen Lebensumständen und nicht als eigenständige Erkrankung des Gehirns, daher erscheinen ihnen Medikamenten anfangs als wenig sinnvoll. Vor allem Männer flüchten sich zudem häufig in den Alkohol, um ihre Probleme zuzudecken. Ein Verhalten, das die Depression leider verstärkt“, sagt Primar Auer.

 

Bei mittelschwerer oder gar schwerer Depression sollte man unbedingt einen Facharzt aufsuchen. In schweren Fällen ist häufig eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus nötig, vor allem auch dann, wenn Suizidgedanken vorliegen. Bei schwerer Depression werden in jedem Fall Medikamente wie Antidepressiva verabreicht. Sobald diese wirksam werden, kann auch eine Psychotherapie starten.

 

Was kann man selbst tun?

 

Betroffene sind nicht nur auf Therapien angewiesen, sie können je nach Schweregrad der Beeinträchtigung selbst einiges tun, damit es ihnen besser geht. Folgende Maßnahmen sind in der Regel hilfreich:

 

  • Sich eingestehen, dass man depressiv ist. Seinen Zustand zu verdrängen oder leugnen, ist nicht sinnvoll, da man dadurch wertvolle Zeit verliert und seinen schlechten Zustand verfestigt.
     
  • Jeder erlebt hin und wieder Tage, an denen er sich deprimiert fühlt. Das ist normal und kein Grund zur Besorgnis. Dauern die Beschwerden aber einige Wochen an oder kommen immer wieder psychische Tiefphasen, hat es keinen Sinn, weiter zuzuwarten. Nichts zu tun ist keine sinnvolle Option.
     
  • Rückzug vermeiden: Depressive neigen dazu, sich in ihr „Schneckenhaus“ zurückzuziehen. Sie verlassen ihren Wohnbereich aus freien Stücken nur selten, ziehen sich von Freunden zurück, vernachlässigen Sport und Hobbies oder stellen diese völlig ein. All das verstärkt die Depression. Man sollte daher versuchen, trotz seines Wunsches nach Rückzug, Sozialkontakte und Aktivitäten zu pflegen.
     
  • Ärztlich verordnete Medikamente sollte man konsequent einnehmen und deren Wirkung mit dem Arzt besprechen. Gegebenenfalls ist die Dosierung anzupassen oder das Medikament zu wechseln. Keinesfalls sollte man Medikamente wie Antidepressiva einfach absetzten, das kann äußerst unangenehme Wirkungen mit sich bringen. Möchte man die Medikation beenden, sollte man mit dem Arzt einen Plan besprechen, in welchen Zeitraum man die Medikamente stufenweise „ausschleicht“.


  • Licht und Sonne: Sonnenlicht wirkt einer Depression entgegen. Man sollte also so häufig wie möglich rausgehen, um Sonnenlicht und Frischluft zu tanken. Ganz besonders trifft das für Menschen mit einer Winterdepression zu. „Wichtig ist, die Mittagssonne zu nutzen, denn am Nachmittag ist die Strahlung meist schon zu gering. Wer unter der Woche keine Zeit dazu hat, sollte zumindest die Wochenenden nutzen, um Sonne zu tanken“, rät Primar Auer. Als Alternative empfiehlt er eine Lichttherapielampe. Diese sollte täglich, vorwiegend in der ersten Tageshälfte, zwischen 20 und 30 Minuten lang genutzt werden.

 



Dr. Thomas Hartl
September 2023


Bild: panitanphoto/shutterstock.com




Zuletzt aktualisiert am 18. September 2023