Der ganzheitliche Ansatz des Kneippens ist aktueller denn je Kneippen verbinden viele mit Wassertreten, Güssen & Co. Doch Kneippen ist viel mehr, nämlich eine im wahrsten Sinne des Wortes natürliche Lebensweise, bei der weniger mehr ist und Entschleunigung zum Lebensprinzip wird. Damit ist Kneippen aktueller denn je zuvor. Es rückt Zivilisationskrankheiten zu Leibe beziehungsweise verhindert ihr Entstehen.
Das Besondere an der mittlerweile schon 150 Jahre alten Methode von Pfarrer Kneipp ist, dass er damit den Menschen und sein Wohlbefinden gesamthaft betrachtet hat“, meint Primar Dr. Rüdiger Kisling, Vorstand des Institutes für Physikalische Medizin am AKH Linz. Durch Kneippen werden Selbstheilungskräfte aktiviert, das Immunsystem gestärkt, der Stoffwechsel angeregt sowie Körper und Geist trainiert, um mit den Anforderungen des Alltags, etwaiger Krankheiten oder Befindlichkeitsstörungen besser zurechtzukommen.“
Fünf Säulen als Basis
Zurückzuführen ist dieser Effekt auf das Zusammenwirken der fünf so genannten Säulen des Wohlbefinden, auf denen Kneippen basiert. Es sind dies unterschiedliche Wasseranwendungen, ausreichend Bewegung, der Einsatz von Heilpflanzen, eine ausgewogene Ernährung und eine harmonische Lebenseinstellung.
Mehr Widerstandskraft
Bei der Wassertherapie wird die Empfindlichkeit der Hautrezeptoren genutzt, um die Durchblutung zu fördern, den Stoffwechsel anzukurbeln und so das Immunsystem und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Dazu tragen auch ausreichende Bewegung und gezieltes Training bei. Kneipp riet, die Wechselwirkung von kurzen intensiven Aktivitäten mit längerem Ausdauertraining zu nutzen. So manches bereits eingerostete Gelenk oder ein in Vergessenheit geratener Muskel kann dadurch zu neuem Leben erweckt, vor allem aber das Herz-Kreislauf-System trainiert und der Stoffwechsel aktiviert werden, so dass sich dann auch nicht jeder Bissen gleich an Hüften und Bauch häuslich niederlässt.
Apropos Bissen: Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieser Lebensweise. Essen mit Maß und Ziel ist angesagt, wobei auf möglichst naturbelassene, hochwertige Lebensmittel geachtet werden sollte. Nach dem Motto, es muss nicht immer gleich eine Pharmakeule sein, um so manchem „Zipperlein“ entgegenzuwirken, wird beim Kneippen auch die breite Palette der Heilkräuter genutzt, die etwa als Salben und Tees angewendet werden.
Harmonie von Körper und Geist
„Vergesst mir die Seele nicht“, mahnte Pfarrer Kneipp, seiner Zeit wohl weit voraus, und war bestrebt, das seelische Gleichgewicht seiner Patienten wiederherzustellen. Die Wiedererlangung der Lebensfreude und der Fähigkeit, die wesentlichen Dinge des Lebens zu erkennen, war dabei sein Ziel. Denn gesund könne nur sein, wer körperlich und seelisch im Gleichgewicht ist, war er überzeugt. Die gesunde, natürliche Lebensweise nach Pfarrer Kneipp fungiert demnach auch als Steigbügelhalter, um die innere Harmonie wiederzuerlangen beziehungsweise zu erhalten.
Keine Unverträglichkeiten
Kneippen ist also keine Eintagsfliege in Form einer Kuranwendung, die keine Umstellung des Alltags zur Folge hat, sondern eine generelle Lebensweise. „Regelmäßiges Kneippen kann man als eine Art Training der Widerstandskraft und der Selbstheilungskräfte des Körpers betrachten“, bringt es Primar Kisling auf den Punkt. Deshalb mache diese Lebensweise praktisch bei jedem Sinn, beim Kleinkind ebenso wie beim Greis, bei Gesunden wie bei Kranken. Entsprechend der körperlichen Konstitution kämen die gesamte Bandbreite oder nur Teile davon zum Einsatz. Ja sogar als Unterstützung von Chemotherapien haben sich Kneippanwendungen als ausgesprochen positiv erwiesen.
Gabriele Beran
Dezember 2007
Foto: Bilderbox
Kommentar
Prim. Dr. Rüdiger Kisling
Vorstand des Institutes für Physikalische Medizin am AKH Linz