Kaum eine lebenswichtige Substanz des menschlichen Körpers hat ein schlechteres Image als Cholesterin. Obwohl zum Aufbau der Zellen und zur Bildung wichtiger Hormone essenziell, ist vor allem eines bekannt: Cholesterin verursacht Herzinfarkt und Schlaganfall. Das stimmt. Trotzdem sieht man Cholesterin immer differenzierter. Und unterscheidet zwischen „gutem“ und „bösem“.
Der Körper eines Erwachsenen enthält rund 140 Gramm Cholesterin, wobei mehr als 95 Prozent davon in den Zellmembranen und Zellen gebunden sind. Der Rest ist sozusagen auf Reisen. Weil der Stoff nicht wasserlöslich ist, bindet er sich an spezielle Eiweiße. Die Mischung nennt man Lipoproteine. Davon gibt es hauptsächlich zwei Sorten: High-Density-Lipoprotein (HDL) und Low-Density-Lipoprotein (LDL) – auch bekannt als „gutes“ und „böses“ Cholesterin. Dr. Ivan Tancevski von der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin erklärt den Unterschied: „LDL transportiert über die Blutbahn Cholesterin in alle Teile des Körpers, wo es verarbeitet wird. HDL hingegen bringt überschüssiges Cholesterin aus dem Körper in die Leber, wo es über die Galle in den Darm ausgeschieden werden kann.“
Zu Problemen kommt es bei einer zu hohen Konzentration von LDL im Blut. Tancevski: „Wenn zu viel mit Cholesterin beladene LDLPartikel in der Blutbahn sind, können sie sich an den Gefäßwänden ablagern – wie überschüssiger Kalk bei einem Wasserrohr.“ Zudem wird eine entzündliche Kettenreaktion in Gang gesetzt, die zu einer deutlichen Verengung der Gefäße und zur Anlagerung von Blutplättchen führen kann. Es drohen der Verschluss von lebenswichtigen Herzkranzgefäßen oder von Gefäßen, die das Gehirn versorgen – ein Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Begrenzte Möglichkeiten
Den überwiegenden Teil des Cholesterins erzeugt sich der Körper selbst. Nur maximal zehn Prozent davon wird über die Nahrung aufgenommen. Entsprechend begrenzt sind die Möglichkeiten, einen ungünstigen Cholesterinwert allein mit einer Diät in den Griff zu bekommen. Trotzdem rät Internist Dr. Tancevski: „Man sollte weniger fettreiches ‚rotes‘ Fleisch, etwa Rindfleisch, essen und eher eine mediterrane Kost anstreben. Fisch, der Omega-3-Fettsäuren enthält, entwickelt einen gewissen schützenden Effekt auf die Gefäße. Das gilt auch für Omega-6-Fettsäuren, die in größeren Mengen in Nüssen, Sonnenblumen- und Distelöl enthalten sind.“ Wer dann noch auf sein Gewicht achtet, ausreichend Bewegung macht, den Blutdruck im Auge behält und auf Nikotin verzichtet, hat das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung schon deutlich eingeschränkt.
Ist der Cholesterinwert allerdings so hoch, dass man von einer Hypercholesterinämie spricht, also von mehr als 200 Milligramm Gesamtcholesterin pro Deziliter Blut, ist eine Therapie mit cholesterinsenkenden Medikamenten notwendig. Ivan Tancevski: „Statine stellen im Moment die effizienteste Therapie dar. Sie fördern die Aufnahme von LDL in die Leber, womit weniger vom ‚bösen‘ Cholesterin im Blut zirkuliert.“
Weitere Hilfe könnte bald von einem Medikamenten-Dauerbrenner kommen. Tancevski, der 2009 mit dem „Austrian Life Science Award“ ausgezeichnet worden war, konnte mit seinem Team im Tierversuch zeigen, dass Acetylsalicylsäure – besser bekannt unter dem Markennamen Aspirin – die Funktion des „guten“ HDL ankurbelt. Wie die kürzlich im Fachmagazin „Cell Metabolism“ veröffentlichten Untersuchungen belegen, konnten die gefährlichen Ablagerungen in den Blutgefäßen von Mäusen mit Hilfe von Aspirin um die Hälfte reduziert werden.
Heinz Macher
März 2015
Foto: shutterstock, privat
Kommentar
Dr. Ivan Tancevski
Universitätsklinik
für Innere Medizin I, Universität Innsbruck