Fast zweitausend Jahre lang litt der Salat an einem eher schlechten Ruf: Seit den alten Römern galt er den Gelehrten als Schlafmittel und Lusttöter.
Wenn man wilden Salat ins Meer werfe, dann stürben im Umkreis alle Fische, schrieb Plinius der Ältere gar und empfahl Salat nur für Menschen, die an Schlaflosigkeit litten. Noch im 18. Jahrhundert warnte ein Kochbuch, dass Salatesser ein trauriges Liebesleben hätten, und im Englischen war die Redewendung „Salat pflücken“ gleichbedeutend mit „seine Zeit verschwenden“. Gegessen wurde der Salat freilich allen Warnungen zum Trotz. Der Apicus, das älteste überlieferte lateinische Kochbuch, enthält ein Rezept für „Feldsalat“ in Öl und Salzlauge und eines für „harmlosen Salat“ mit Ingwer, Weinraute, Datteln, Pfeffer, Honig und Kreuzkümmel. Sonnenkönig Louis XIV verspeiste seinen Salat gern mit Estragon, Pimpernell, Basilikum und Veilchen. Thomas Jefferson, dritter US-Präsident und bekennender Salat-Narr, würzte klassisch mit Ei, Zucker, Senf und Estragon. Der Gartensalat, wie wir ihn heute kennen – etwa als Bummerlsalat, Kopfsalat oder Eichblatt-Salat – geht auf den Stachel-Lattich zurück, eine bitter-haarige wilde Pflanze, die aus dem heutigen Armenien oder der östlichen Türkei stammen soll. Durch Jahrhunderte der Zucht wurden seine Blätter größer und milder im Geschmack, farblich reichen sie nun vom ordinären Blassgrün des Eisbergsalats bis hin zu den wunderschönen rostbraunen Flecken auf pastellgrünem Grund der Sorte Forellenschluss. Mehr als 100 verschiedene Arten kennt der interessierte Gärtner heute.
Gartensalat ist eine der besten Quellen für Vitamin K und Vitamin A (je dunkler die Blätter sind, desto mehr enthalten sie) und enthält eine anständige Portion Spurenelemente wie Eisen oder Mangan. Die weiße Flüssigkeit, die aus angebrochenen Salatblättern rinnt, ist eine Art Latex und eignet sich theoretisch zur Gummi-Produktion. Zudem finden sich in wilden Arten bestimmte Alkohole, die in geringen Mengen beruhigend wirken. In den 1970er Jahren wurden daher bestimmte Salate in den USA als „Salat-Opium“ und Tabakersatz vermarktet – mit mäßigem Erfolg.
Die klassische Vinaigrette
Bereits seit der Antike wird Salat gern mit Marinaden angerichtet. Als Grundregel für die klassische Vinaigrette gilt: Auf einen Teil Essig kommen drei bis vier Teile Öl. Etwaige Gewürze und Kräuter werden zuerst in den Essig gemischt, bevor das Öl dazukommt, weil so der Geschmack besser übertragen wird. Generell gilt: Blätter mit starkem Eigengeschmack, etwa Rucola, vertragen sich besser mit Rotweinessig, für mildere Blätter eignet sich Weißwein-Essig besser. Der Lattich muss freilich nicht das einzige Grünzeug in der Schüssel bleiben – auch andere Pflanzen haben wohlschmeckende Blätter. Radieschenblätter etwa welken zwar schnell, frisch aber schmecken sie herrlich pfeffrig-frisch und harmonieren hervorragend mit jedwedem Senf-Dressing. Junge Blätter von Roten Rüben schmecken ähnlich wie Mangold, einem Cousin der Rübe, und sind nicht nur zu gut, sondern auch zu prächtig, um sie wegzuwerfen. Ein ganz klein wenig Knoblauch und ordentlich Säure können ihnen nicht schaden.
Einfach einsalzen …
Frische Karottenblätter, vorsichtig dosiert, verleihen Salaten und anderen Speisen eine krautig-karottige Note – sie fühlen sich in der Nähe von Honig-Marinaden besonders wohl. Und bunte Mangold-Stiele, allzu oft weggeworfen, machen sich klein geschnitten ganz hervorragend als Konsistenz-Aufwerter. Besonders gut werden sie, wenn man sie milchsauer vergärt: einfach in ein Glas stecken, mit fünfprozentiger Salz-Lake bedecken (Fünf Gramm Salz auf 100 Milliliter Wasser) und zugedeckt etwa eine Woche bei Raumtemperatur stehen lassen.
Tobias Müller
September 2017
Bild: Werner Harrer