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Schwein gehabt Zungensandwich Werner Harrer

Schwein gehabt

Es ist noch gar nicht so lange her, da war nicht nur Gemüse, sondern auch Fleisch saisonal. Im späten Herbst, wenn es immer kälter wurde und nichts mehr auf den Feldern wuchs, kam für die Bauern die Zeit für eine zweite Ernte: Der Schlachttag – ein Fest, bei dem gemeinsam gewurstet, gesungen und getanzt wurde. Für ein paar Wochen gab es nun frisches Fleisch und die leeren Schmalztöpfe konnten endlich wieder gefüllt werden. 

Lange war das Schwein vor allem eine Art lebende Vorratskammer: Im Sommer, wenn es Essen im Überfluss gab, wurde es dick und fett gemästet. Im Winter, wenn die Natur nur mehr wenig hergab, sorgte es dafür, dass es trotzdem noch etwas zu essen gab. Noch wichtiger als das Schweinefleisch war das Schweinefett: Schmalz und Speck liefern viel Energie zum Essen – 100 Gramm haben knapp 900 Kalorien, fast vier Mal so viel wie Weißbrot – und im Gegensatz zu Fleisch hält es sich, kühl und dunkel gelagert, mehrere Monate. 

Auch heute, wo es Kühlschränke und beheizte Schweinefarmen gibt, essen die Österreicher lieber und mehr Schwein als andere Tiere. Auch Krapfen, die im Schweineschmalz frittiert werden, schmecken warm und flauschig ungleich besser als ihre blassen industriellen Kollegen, die in Pflanzenöl schwimmen mussten. Manche stellen mit Schweineschmalz auch gern einen üppigen Blätterteig her. 

Archäologische und genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass das Schwein den Menschen schon fast so lange begleitet, wie er sesshaft ist. Die ersten Schweine wurden wohl vor 9.000 Jahren domestiziert, unabhängig voneinander im heutigen China und in der heutigen Türkei. Lange dürfte das Hausschwein seinen wilden Verwandten sehr ähnlich gesehen und sich auch oft mit diesen gemischt haben, nämlich dunkel und stark behaart – wie die heutige alte Rasse des Mangalita-Schweins. Vergleichsweise spät, erst im 18. und 19. Jahrhundert, gelangten asiatische Schweinerassen nach Europa und wurden mit den heimischen Arten gekreuzt – nach und nach entstand das heute weltweit verbreitete fast haarlose Edelschwein. 

Bereits in der Antike war das Schwein sehr beliebt: Die Griechen schätzten es als Speise- und Opfertier (Die Ehre, Odysseus nach seiner Heimkehr zu empfangen, gebührte laut Homer einem Schweinehirten.). Außerdem ist Schweinefleisch die wichtigste im ältesten überlieferten Kochbuch des Römers Apicius. Die größten Schweinfleisch-Fans aber waren und sind die Chinesen: Auf Mandarin ist das Wort für Schwein dasselbe wie für Fleisch. Deswegen bekommen Vegetarier, die in China: „Kein Fleisch, bitte.“ sagen, oft Lamm serviert. So wichtig ist Schweinefleisch für die chinesische Küche, dass die chinesische Regierung auf einer staatlichen Schweinefleisch-Reserve von zigtausenden eingefrorenen Schweinehälften sitzt. Sollte der Weltmarktpreis gefährlich schwanken, können so Engpässe und Preiserhöhungen vermieden werden. 

Andere Kulturen wiederum konnten sich nicht mit dem Schwein anfreunden: Im alten Ägypten war es wahrscheinlich als Fleisch der Armen verschrien. Irgendwann im 5. Jahrhundert beschlossen religiöse Juden, es ganz zu verbieten – eine Regel, die später vom Islam übernommen wurde. Wie es zu dem Verbot kam, ist umstritten. Die Theorien reichen von möglichen Parasiten im Fleisch bis hin zur Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen.  

Glück schmeckt man

So wie von jedem Fett und jedem Tier ist es weder für uns noch für unsere Umwelt gut, wenn wir zu viel vom Schwein essen – umso mehr sollten wir darauf achten, dass das, was wir genießen, richtig gut ist.  

Auch beim Schwein gilt: Je glücklicher es einmal war, desto besser schmeckt es. Kaufen Sie also möglichst nur Fleisch von Tieren, die sich im Schlamm suhlen durften, die gutes Futter bekommen haben, langsam wachsen durften und stressfrei geschlachtet wurden. Das kostet mehr als die meiste Supermarktware, schmeckt dafür aber ungleich besser. Und es macht Schweinefleisch wieder zu dem, was es einmal war: ein Festessen. 

 

Tobias Müller

Oktober 2019

 

Bild: WERNER HARRER

 

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020