Blutverdünner können Blutgerinnsel und Thrombosen verhindern und damit die Gefahr von Schlaganfällen, Embolien und Herzinfarkten reduzieren. Da sie andererseits die Gefahr von Blutungen erhöhen, ist vor Verordnung der Medikamente stets eine Risikoabwägung vorzunehmen.
Blut erfüllt zahlreiche lebenswichtige Funktionen. Eine der Funktionen des Blutes ist seine Fähigkeit zu gerinnen. Diese Blutgerinnung ist ein natürlicher und lebenswichtiger Vorgang. Sie ist ein Schutzmechanismus des Körpers, der im Falle einer Verletzung dafür sorgt, dass sich die Wunde schließt. Stark vereinfacht gesagt: Die Blutung wird bei der Gerinnung dadurch gestillt, indem Blutplättchen verklumpen. Würde dieser Vorgang nicht einsetzen, würde man bei einer Verletzung innerlich oder äußerlich verbluten.
Lebensgefahr bei verstopften Blutbahnen
Die an und für sich lebensrettende Blutgerinnung kann jedoch auch lebensgefährlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Blut in einer Vene gerinnt und zu einer Thrombose, oder im Falle von Vorhofflimmern, zu einem Gerinnsel führt. Lebensgefahr besteht, wenn diese Thromben mit dem Blut in die Lungenstrombahn gelangen und einen lebensgefährlichen Lungeninfarkt verursachen. „Im Falle von Vorhofthromben können diese Gerinnsel mit dem Blutstrom schlimmstenfalls ins Gehirn gelangen und einen Schlaganfall verursachen“, sagt Dr. Regina Steringer-Mascherbauer, Oberärztin am Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Thrombosen können sich in jedem Blutgefäß bilden, sehr häufig treten sie in den Beinvenen auf. Bei einem Thrombus handelt sich um eine Art Propfen aus geronnenem Blut, der das Blutgefäß teilweise oder auch ganz verschließen kann. Der Verschluss kann am Ort der Entstehung des Gerinnsels entfolgen oder der Thrombus wird durch das Blutgefäß in andere Körperbereiche gespült und bereitet dort Probleme.
Verstopft ein Blutgerinnsel ein Blutgefäß, kann es zum Ausfall der Blutversorgung von Organen kommen, den sogenannten Embolien. Kommt es zu einer Verstopfung im Lungenkreislauf, kann das zu einer tödlichen Lungenembolie führen. Gelangt ein Thrombus hoch bis ins Gehirn, kann ein dort auftretender Verschluss einen Schlaganfall auslösen. Werden Herzkranzgefäße verstopft. droht ein Herzinfarkt. Im Innenohr können Blutgerinnsel zu einem Hörsturz führen.
Die häufigsten Indikationen
Medikamente zur Blutverdünnung sollen die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern und damit vor allem Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorbeugen. Medikamente werden vor allem in folgenden Fällen eingesetzt:
- Vorhofflimmern: Diese Herzrhythmusstörung führt zu einer Verlangsamung des Blutflusses und bewirkt, dass die Blutbestandteile in den Vorhöfen des Herzens zu wenig durchmischt werden. Dadurch können sich Blutgerinnsel bilden, die über die Blutbahn bis ins Gehirn transportiert und dort einen Schlaganfall verursachen können.
- Bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall, eine Thrombose oder eine Embolie erlitten haben, soll das Medikament eine Wiederholung des Vorfalls verhindern.
- Nach Implantation mechanische Herzklappen.
- Bei genetisch bedingten (angeborenen) Gerinnungsstörungen.
- Bei arterieller Verkalkung im fortgeschrittenen Stadium.
- Bei chirurgischen Eingriffen, falls es nötig ist, Embolien und Thrombosen vorzubeugen.
- Fallweise bei Rauchern mit Fettstoffwechselstörung.
Lebensrettende Medikamente
Wenn die Blutgerinnung nicht optimal funktioniert, droht also die Entstehung von Blutgerinnseln und Thromben. „Um diesen gefährlichen Vorgang zu verhindern, werden Antikoagulanzien, das sind blutverdünnende Medikamente, verabreicht“, sagt Steringer-Mascherbauer.
Es stehen verschiedene Medikamente (umgangssprachlich Blutverdünner genannt) zur Verfügung. Die Wirkung beruht auf einer Veränderung der Gerinnungsfaktoren im Blutplasma. Man unterscheidet direkte (Wirkstoffe sind z.B. Hirudin und alle neuen oralen Antikoagulanzien, NOAKs genannt) von indirekten Antikoagulanzien (Wirkstoffe wie Phenprocoumon und Heparin).
Weiters stehen Medikamente zur Verfügung, die auf die Blutplättchen einwirken, damit diese nicht aneinander klumpen. Diese Thrombozytenaggregationshemmer (wie beispielsweise die bekannte Acetylsalicylsäure ASS, in Aspirin enthalten) hindern die Blutplättchen an deren natürlichem Verklumpungsvorgang.
Verordnete Medikamente sind kontinuierlich und konstant einzunehmen. Bei älteren Medikamenten (wie etwa dem Vitamin K-Antagonisten Marcomar) sind regelmäßige Blutspiegelbestimmungen nötig. Bei den neueren Medikamenten entfällt dies. „Bei den NOAKs sind keine Blutspiegelbestimmungen notwendig, eine konstante Dosierung ist ausreichend, jedoch muss die Nierenfunktion einmal jährlich kontrolliert werden“, so Steringer-Mascherbauer.
Die Dauer der Medikamenteneinnahme richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung und dem Thromboserisiko, meistens erfolgt die Einnahme dauerhaft über Monate oder Jahre, oft auch ein Leben lang. Bei festgestellter Indikation sollten sich Patienten genau an die vereinbarten Dosierungen halten, da es keine Alternative zur Einnahme dieser Medikamente gibt“, so die Kardiologin.
Ernährung
Generell sollte man sich ausgewogen und gesund ernähren. Ändert man seine Ernährungsgewohnheiten, sollte man bei Einnahme älterer Medikamente wie Marcomar die Dosierung des Medikaments anpassen lassen.
Risikoabwägung
Gerinnungshemmende Medikamente vermindern die Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Der Vorteil: Die Gefahr von gefährlichen Blutgerinnseln wird herabgesetzt. Der Nachteil: Die Blutungsneigung steigt, Wunden schließen schlecht oder gar nicht mehr.
Innere Blutungen können etwa Magen-Darm-Blutungen oder Hirnblutungen betreffen. Äußere Blutungen betreffen Verletzungen, in diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Wunde nicht verschorft und sich nicht schließt.
Ein erhöhtes Osteoporoserisiko liegt im Falle der Einnahme von Heparin vor. „Die anderen Medikamente erhöhen das Osteoporoserisiko nicht“, sagt Steringer-Mascherbauer.
Bevor Blutverdünner verabreicht werden, erfolgt eine Risikoabwägung. Der Nutzen muss das mögliche Risiko überwiegen. Blutverdünner sollte man nicht nehmen, falls ein hohes Blutungsrisiko für Magen/Darm besteht.
Bei Vorhofflimmern erfolgt eine Risikoeinschätzung unter Heranziehung von Merkmalen wie Geschlecht, Alter und Zusatzerkrankungen. „Die Indikation zur Blutverdünnung richtet sich nach einem Scorer System, dem sogenannten CHA2DS2-Vasc Score. Bei Vorhofflimmern ist in den allermeisten Fällen eine Einnahme von Medikamenten anzuraten. Wie Studien belegen, nehmen dadurch die Schlaganfälle ab. Die Medikamente sollte man bei dieser Erkrankung lebenslang einnehmen“, sagt die Kardiologin.
Ausweis bei sich führen
Patienten, denen blutverdünnende Medikamente verabreicht werden, bekommen einen Gerinnungshemmer Ausweis ausgestellt. Wichtig ist, dass man diesen immer bei sich führt, am besten in der Brieftasche. Der Ausweis informiert über das Medikament, dessen Dosierung und den Grund der Einnahme. Jeder behandelnde Arzt sollte über die Einnahme eines dieser Medikamente Bescheid wissen. Das gilt erst recht vor invasiven Eingriffen (Operationen), aber auch bei Zahnarztbesuchen. Vor einer Operation kann die Änderung oder Aussetzung der Medikamenteneinnahme nötig werden.
Dr. Thomas Hartl
Jänner 2020
Bild: shutterstock