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Mann hält sich die Augen

Schmerz ist vor allem Kopfsache

Chronische Kopfschmerzen nagen an Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Darunter leidet ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung. Galt das früher als „normal“ und hieß es, „das ist halt einfach so“, stehen heute vielfältige Therapien zur Verfügung, berichtet das Klinikum Wels-Grieskirchen (Klinikum WeGr).

 

Der erste Schritt auf dem Weg zur Erleichterung führt zum Hausarzt, der bei Bedarf den Kopfschmerzpatient:en an einen Neurologen überweist. Am Klinikum Wels-Grieskirchen gibt es für Betroffene eine spezialisierte Schmerzambulanz.

 

Kopf- und RÜckenschmerzen 

„Wir behandeln an der Schmerzambulanz vor allem Kopfschmerzpatienten und Patienten mit Rückenschmerzen, für die es im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie keine gute Therapieoption gibt“, erklärt Neurologe OA Dr. Stefan Einsiedler, Leiter der Neurologischen Schmerzambulanz am Klinikum WeGr. „Zudem sind wir auch Anlaufstelle für Patienten mit neuropathischen Schmerzen diverser Ursachen.“ Jede Patient:in kommt per Zuweisung an die Schmerzambulanz und ist somit bereits einmal haus- oder fachärztlich begutachtet worden. „Das bedeutet aber auch, dass bei diesen Patienten die Beschwerden schon mehrere Wochen, nicht selten auch jahrelang bestehen“, so Einsiedler.

 

Kopfschmerz im Mittelpunkt 

Im Zentrum der Arbeit der Neurologischen Schmerzambulanz steht das Thema Kopfschmerz. „Hier stellen sich zumeist Menschen mit sogenannten primären Kopfschmerzen vor, neben Patienten mit Spannungskopfschmerzen und Clusterkopfschmerzen vor allem solche mit Migräne in episodischer und chronischer Form“, erklärt der Neurologe. „Bei Migräne besteht neben meist halbseitigen pochenden Kopfschmerzen vor allem ein ausgeprägtes Rückzugsbedürfnis und nicht selten eine starke Übelkeit.“ Im Vergleich dazu leiden Patienten mit Clusterkopfschmerzen in der Attacke unerträgliche einseitige Kopfschmerzen mit Begleitsymptomen wie einem tränenden oder geröteten Auge beziehungsweise einer rinnenden Nase. „Typischerweise sind die Patienten in der Attacke meist agitiert und können – im Gegensatz zur Migräne – nicht ruhig im Bett liegen bleiben.“ Spannungskopfschmerzen sind in ihrer Intensität nicht derart stark ausgeprägt und treten nicht in Form von Attacken auf. „Allerdings können sie nahezu durchgehend tage- und wochenlang bestehen.“

 

Was tun? Lebensstilmodifikation, Entspannung und Medikamente 

„Wenn Erwachsene öfter unter Kopfschmerzen leiden, sollte auf jeden Fall der Hausarzt konsultiert werden“, rät der Facharzt. Es empfiehlt sich auch das Führen eines Kopfschmerztagebuchs und gegebenenfalls die Vorstellung bei einem Facharzt für Neurologie. Bei einer Überweisung ans Klinikum erhalten die Betroffenen eine umfangreiche Aufklärung über die jeweilige Kopfschmerzart und zu Lebensstilmodifikation, die das Auftreten von Attacken mindern können, sowie Ratschläge, wie man sich in einer Attacke verhalten sollte. „Bei Bedarf werden auch komplementäre Therapieansätze wie physikalische Medizin oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson vermittelt. Und natürlich werden Medikamente eingesetzt, welche auf die Begleiterkrankungen des Patienten genau abgestimmt sind. Vor allem im Bereich der Migräne kam es in den letzten Jahren zum Teil zu innovativen Therapieansätzen mit monoklonalen Antikörpern, den sogenannten CGRPBlockern“, so der Kopfwehexperte.

Die Effekte der CGRP-Inhibitoren beruhen auf ihrer Bindungsfähigkeit an das gefäßerweiternde und entzündungsfördernde Neuropeptid „Calcitonin Gene-Related Peptide“, das bei Migräne eine zentrale Rolle einnimmt.

 

Kopfweh ist auch Kindersache 

Kopfschmerzen zählen auch bei Kindern und Jugendlichen zu den häufigsten Erkrankungen. Manchmal sind wiederkehrende, unklare Bauchschmerzen im Kindesalter ein Hinweis für eine Migräne. Daran sollte man vor allem bei bekanntem Bestehen einer Migräne in der Familie denken. Mädchen sind von Kopfschmerzen öfter betroffen als Buben. Zur Kopfschmerzabklärung kann der Kinderarzt betroffene Kinder und Jugendliche ans Klinikum WeGr überweisen. Neben einer Schmerzmedikation gibt es sowohl für erwachsene als auch junge Kopfschmerzpatient:innen viele hilfreiche Verhaltensmaßnahmen für den Alltag, deren Wirkung in vielen Studien belegt ist.

 

Weiterführende Informationen 

Kopfweh-Facts

  • Kopfschmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzsyndromen.
  • Weltweit sind etwa 47 Prozent der Erwachsenen betroffen, davon fallen cirka zehn Prozent auf Migräne, 38 Prozent auf Spannungskopfschmerz und drei Prozent auf chronische Kopfschmerzen (mind. 15 Tage im Monat).
  • Von Migräne spricht man bei episodischen Attacken von 4 bis 72 Stunden. Sie sind pulsierend, pochend, meist einseitig, fallweise mit Übelkeit und Erbrechen, schlecht sind körperliche Aktivität, Licht und Lärm. Triggerfaktoren bei einzelnen Patient:innen sind Hunger, Stress, Luftdruckveränderungen, hormonelle Schwankungen, Schlafmangel, zu viel Schlaf und Alkohol. Oftmals Auftreten von Auraphänomenen, wie etwa Fortifikationen (partieller Gesichtsfeldausfall mit gezacktem Rand).
  • Spannungskopfschmerzen sind die häufigste Form; episodisch oder chronisch, dumpf drückend im Stirn-, Schläfen- und Augenbereich oder helmartig über den ganzen Kopf, Intensität eher leicht bis mäßig, fast nie Begleiterscheinungen (Erbrechen, Lichtempfindlichkeit etc.).
  • Clusterkopfschmerzen: Selten, bis zu zweistündige Attacken, in Serien von Wochen bis Monaten, meist nachts, extrem stark, fast immer einseitig im Augen-, Stirn- und Schläfenbereich. Besserung durch Bewegung und Druckausübung auf die betroffenen Stellen, einseitiger Nasen- beziehungsweise Tränenfluss. 


Kopfschmerzprophylaxe: Tipps für den Alltag

  • Auf eine regelmäßige Lebensführung achten (ausreichend Schlaf, keine Mahlzeiten auslassen, ausreichend Flüssigkeit zuführen, regelmäßige kurze Bewegungseinheiten in den Berufs- bzw. Schulalltag einbauen …).
  • Übermäßige direkte Sonneneinstrahlung und flackernde Lichtquellen vermeiden (Sonnenbrille nicht vergessen, im Schatten bleiben, Fernseh- und Computerpausen einhalten).
  • Regelmäßiger Ausdauersport im Freien.
  • Entspannungstechniken üben und anwenden (Progressive Muskelrelaxation PMR, autogenes Training, Bauchatmung, Fantasiereisen u.v.m.).
  • Meiden von zu viel Alkohol, Kaffee, Cola, Energy Drinks und Nikotin.
  • Medikamente wie vom Arzt empfohlen zu Beginn der Attacke einnehmen.

 

Klinikum Wels-Grieskirchen / Mag. Christian Boukal
Oktober 2021


Bild: goodluz/shutterstock.com




Zuletzt aktualisiert am 06. Oktober 2021