Erholung als Chance

 

Dr. Michael Bischof (links),. Buchautor und Senior Researcher am Institut für Ökomedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg

Dr. Marlies Gruber (mitte), Geschäftsführerin Verein „forum.ernährung heute“, Kompetenzzentrum für Ernährung, Gesundheit & Lebensstil

Prof. Dr. Arne Arnberger (rechts),Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der BOKU University

 
 

DISKUSSION. Urlaub als Booster für Gesundheit und Wohlbefinden? MEINE GESUNDHEIT lud zum Gespräch und ging der Frage nach, wie nachhaltige Erholung gelingen kann. Und: Welche Rolle spielen Bewegung und Natur dabei?

Urlaubsstimmung in der Ufertaverne an der Alten Donau – der  perfekte Rahmen für ein Gespräch rund ums Thema Erholung in der schönsten Auszeit des Jahres. Dr. Marlies Gruber, Geschäftsführerin Verein „forum.ernährung heute“, Prof. Dr. Arne Arnberger, Leiter des Instituts für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der BOKU University, und Dr. Michael Bischof vom Institut für Ökomedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg folgten der Einladung.

Herr Prof. Dr. Arnberger, welche Forschungsergebnisse gibt es zum Thema Urlaub und Erholung?

ARNBERGER: Eine essenzielle Erkenntnis ist, dass uns der Aufenthalt in der Natur guttut. Er wirkt auf Körper und Geist gleichermaßen positiv. Allein ein Spaziergang im Grünen kann Stresshormone senken, Puls und Herzfrequenz beruhigen, die Schlafqualität verbessern und sogar das Schmerzempfinden verringern. Wenn Sie einen Urlaub in der Natur planen, sorgen Sie also automatisch und präventiv für Ihre Gesundheit.

Gibt es dabei Landschaften, die Sie besonders empfehlen können?

ARNBERGER: Unsere Vorlieben sind evolutionär geprägt. Wie unsere Vorfahren fühlen wir uns dort wohl, wo wir Schutz, Wasser und Orientierung finden. Auch heute noch bevorzugen wir Orte mit Weitblick, mit Gewässern und mit klarer Struktur. Dichte, dunkle Wälder oder unübersichtliche Gegenden lösen dagegen eher Unbehagen aus.

Frau Dr. Gruber, Sie betonen: Urlaub ist eine Chance zur Etablierung eines gesünderen Lebensstils …

GRUBER: Genau – meine Botschaft: Gesunder Lebensstil macht keine Ferien! Ich denke dabei bewusst an Eltern und Kinder. Gerade wenn die gewohnte Struktur mit Schule oder Kindergarten im Urlaub wegfällt, ändern sich die Tagesabläufe. Das ist aber auch eine Chance: Ferien bieten Raum, neue Bewegungsformen zu entdecken, gemeinsam zu kochen und gesunde Routinen zu stärken. So kann gesunder Lebensstil bereits von klein auf vermittelt werden.

 

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Neues entdecken und in den Alltag integrieren

Der Urlaub bietet die ideale Möglichkeit, sich abseits des Alltags ganz bewusst den Themen Gesundheit, Bewegung und Sport zu widmen. So lässt sich die für viele Menschen schönste Zeit des Jahres dazu nützen, die eigene Lieblingssportart wieder zu aktivieren oder auch Neues zu entdecken. Und vielleicht gelingt es vielen Menschen auf diesem Wege auch, dieses gesunde Urlaubsgefühl mit nach Hause zu bringen und es dort dann regelmäßig und dauerhaft in den eigenen Tages- und Wochenablauf zu integrieren.

Mag. Peter McDonald ist Obmann der ÖGK.

 

Wie schafft man dabei den Spagat zwischen Gesundheit und Genuss?

GRUBER: Das muss kein Widerspruch sein! Genuss fördert die Lebensqualität. Genusskompetenz aufzubauen – also zu wissen, was einem guttut – ist daher wichtig. Es geht nicht um Verzicht, sondern um bewusstes Erleben. Kinder können in den Ferien spielerisch lernen, Neues zu probieren, ohne Druck. Für Erwachsene gilt dasselbe. Zudem zeigen Studien: Menschen, die bewusst genießen, essen abwechslungsreicher, treiben mehr Sport und gehen achtsamer mit sich um. Es lohnt sich also, im Urlaub seine hedonistischen, also genussvollen, Nischen zu finden und diese langfristig zu bespielen.

Wie gelingt das?

GRUBER: Indem ich kleine positive Erfahrungen im Urlaub bewusst wahrnehme und sie danach in den Alltag integriere – etwa bessere Schlafgewohnheiten, mehr Zeit fürs Essen oder neue Bewegungsformen. Wenn man zum Beispiel im Urlaub feststellt, dass Radfahren oder Wandern positive Effekte hat, könnte man dann zu Hause den Arbeitsweg zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen. Die „Salami-Taktik“ – also Gewohnheiten scheibchenweise zu ändern – hat sich bewährt.

Herr Dr. Bischof, Urlaub wirkt nicht nur präventiv, sondern auch therapeutisch. Dazu haben Sie ein Buch mitverfasst …

BISCHOF: Genau! Es geht um naturbasierten gesundheitsfördernden Tourismus. Dieser basiert auf drei Säulen: auf natürlichen Ressourcen (Wald, Wasser, Luft), einer gezielten Zielgruppenansprache (z. B. für Menschen mit Asthma, Schlafstörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und wissenschaftlicher Evidenz. Ein Beispiel: Aufenthalte bei den Krimmler Wasserfällen in Salzburg haben nachweislich positive Effekte bei Asthma.

 

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Wichtig ist das aktive Umschalten auf Entspannung

Urlaub heißt: Einfach die Seele baumeln lassen und den Kopf vom Alltag frei bekommen. In der Realität oft gar nicht so einfach – wir tauschen zwar den Arbeitsplatz mit dem Urlaubsort, doch der Kopf ist noch voll mit unerledigten Aufgaben. Umso wichtiger ist es, aktiv auf Entspannung umzuschalten. Häufig fragen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was zu tun ist, wenn sie im Urlaub krank werden oder ihn unterbrechen müssen. Die Antworten finden Sie in unserer aktuellen Ausgabe. Ich wünsche Ihnen einen sonnigen, erholsamen Urlaub!

Andreas Huss, MBA, ist Obmann der ÖGK.

 

Gibt es weitere Beispiele solcher positiven Auswirkungen?

BISCHOF: Ja. Studien zeigen etwa: Sowohl Entspannungsübungen im Wald als auch aktives Wandern senken Stress und verbessern das Wohlbefinden. Körperlich aktive Aufenthalte wirken sich aber langfristig stärker aus. Wir arbeiten auch mit Schmerzpatientinnen und -patienten und vergleichen eine klassische Reha mit Angeboten, die zu 25 Prozent im Freien stattfinden. Die Auswertung der Ergebnisse läuft, wir sind optimistisch hinsichtlich der Wirksamkeit.

Viele verbringen ihren Urlaub zu Hause – oft bedeutet das: in der Stadt. Herr Dr. Arnberger, lässt sich Erholung auch in urbanen Räumen erleben?

ARNBERGER: Ja, denn Grünräume und Erholungsgebiete gibt es auch in Städten. Als Landschaftsarchitekt befasse ich mich damit, wie und ob städtische Planung darauf achtet. Im Fokus: die Vielfalt, Erreichbarkeit und Qualität von Grünräumen. Die sogenannte 3-30-300-Regel hilft dabei: Aus jedem Fenster sollte man ins Grüne blicken (3 Bäume) können, 30 Prozent des Wohnumfelds sollten begrünt sein, und es sollte maximal 300 Meter bis zum nächsten Erholungsraum sein. Wichtig ist: Grün allein reicht nicht – es muss auch zugänglich und erlebbar sein.

 

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Urlaub: Erholung für Körper und Geist

Ob am Strand, in den Bergen oder in einer Stadt – Urlaub bedeutet, dem Alltag zu entfliehen, neue Eindrücke zu sammeln und Energie zu tanken. Aus verschiedenen Gründen kann nicht jeder verreisen. Doch auch kleine Auszeiten im Alltag können erholsam sein. Ein Spaziergang im Park, ein gemütlicher Kaffee am Morgen – solche Momente bringen Ruhe und neue Energie. Wichtig ist, sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen. Kurze Pausen im Alltag helfen, Stress abzubauen und das Wohlbefinden zu steigern. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer!

Mag. Bettina Wucherer ist Vorsitzende der Hauptversammlung der ÖGK.

 

Wichtig ist aber auch, das Wissen über den Zusammenhang von Natur, Bewegung und Freizeit zu besitzen.

BISCHOF: Der Tourismus kann eine wichtige Rolle spielen. Österreichs Natur bietet ideale Voraussetzungen. Es braucht jedoch auch Bewusstsein: In jedem Tourismusbetrieb sollte jemand über die positiven Effekte von Natur und Bewegung informieren können. Ein praktisches Beispiel: ein Gesundheits-Check zu Beginn und Ende des Urlaubs. Eine Studie in Krimml etwa zeigte nach einem Wanderurlaub deutliche gesundheitliche Verbesserungen bei Gästen.

ARNBERGER: Wenn wir im Urlaub – etwa durch faszinierende Landschaften oder eine fesselnde Tätigkeit – in einen Flow-Zustand geraten, bei dem wir alles andere vergessen, möchten wir das wieder erleben. Das ist auch eine Chance für Tourismus-Destinationen!

GRUBER: Gesundheitskompetenz sollte aber auch früh in Schulen vermittelt werden. Das sorgt für Chancengleichheit für jene, die dieses Wissen nicht zu Hause vermittelt bekommen.

BISCHOF: Auch als Gesellschaft sind wir gefordert. Studien zeigen, dass Menschen, die in Österreich aufwachsen, einen größeren Naturbezug haben und viel eher bereit sind, Natur zu nutzen, als beispielsweise Menschen mit Migrationshintergrund. Hier sollten wir überlegen, wie wir andere an die Natur heranführen können.

Wir haben viel über Natur und Bewegung als gesunde Komponenten im Urlaub gesprochen. Welche anderen Faktoren spielen eine Rolle?

ARNBERGER: Gemeinsamkeit. Was ich mit Familie, Freundinnen und Freunden oder Bekannten erlebe, schafft Freude und Erinnerungen. Die psychosoziale Komponente ist sehr wichtig.

BISCHOF: Das ist ebenfalls wissenschaftlich belegt. Wir haben etwa eine Studie zum Bergwandern gemacht, bei der wir ausschließlich Paare über 50 Jahre inkludiert und anschließend auch die Beziehungsqualität gemessen haben. Die Ergebnisse waren durchwegs positiv und hielten langfristig an.

Ein letzter Gedanke: Was bleibt vom Urlaub, wenn man wieder zu Hause ist?

GRUBER: Am besten sucht man sich kleine Erinnerungspunkte: eine Pflanze im Büro, Spaziergänge im Alltag, neu kennengelernte Gerichte. Denn wer Erholung bewusst erlebt, kann auch im Alltag kleine Inseln schaffen – und so langfristig gesünder leben.

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Urlaub ist die Gelegenheit, die Seele zu stärken

Bewegung in der Natur spielt dabei eine zentrale Rolle: Wandern, Radfahren oder Schwimmen setzen Endorphine frei, jene Glückshormone, die uns glücklicher und ausgeglichener machen. Wichtig für nachhaltige Erholung sind Achtsamkeit und Entschleunigung, etwa durch Meditation oder bewusste Spaziergänge, sowie gesunde Ernährung mit frischen, regionalen Lebensmitteln. Auch soziale Kontakte wie Aktivitäten mit Freunden und der Familie tragen zum emotionalen Wohlbefinden bei.

KommR. Matthias Krenn ist Vorsitzender der Hauptversammlung der ÖGK.


TEXT Claudia Drees

Fotos: Martin Biller / ÖGK, Stefan Diesner, Martin Biller / ÖGK, GPA
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