Mythen am Prüfstand
Rund um Ernährung und Gesundheit kursieren zahllose Mythen. Doch was steckt wirklich dahinter? Dr. Jana Meixner vom Projekt „Medizin transparent“ der Universität für Weiterbildung Krems liefert für MEINE GESUNDHEIT den wissenschaftlichen Faktencheck.
Heilsame Superfoods, Detox-Wunder und Vitaminbomben – klingt gut, doch häufig fehlt für solche Versprechen der wissenschaftliche Beweis. Dr. Jana Meixner von der Universität für Weiterbildung Krems prüft für MEINE GESUNDHEIT acht beliebte Gesundheitsmythen – und trennt fundiertes Wissen von bloßen Behauptungen.
Weitere Faktenchecks finden Sie online unter: medizin-transparent.at/alle-faktenchecks/
UNSERE EXPERTIN
Dr. Jana Meixner, MSc, Faktencheck-Projekt „Medizin transparent“, Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation, Universität für Weiterbildung Krems
1. MYTHOS:
Hilft Apfelessig beim Abnehmen und senkt den Blutdruck?
Apfelessig gilt auf Social Media als Wundermittel für die Wunschfigur. Wer ihn täglich trinkt, soll angeblich mühelos Gewicht verlieren. Auch wird spekuliert, dass Apfelessig bei Bluthochdruck helfe, indem er angeblich Botenstoffe im Körper beeinflusse. Doch Expertin Jana Meixner stellt klar: „Beide Behauptungen sind nicht wissenschaftlich belegt.“
Ihr Fazit: „Wer Apfelessig als Abnehm-Wundermittel und Blutdrucksenker bewirbt, tut dies ohne wissenschaftliche Grundlage.“
2. MYTHOS:
Begünstigen rotes Fleisch und Wurst Darmkrebs?
2015 stufte die WHO verarbeitetes Fleisch als „sicher krebserregend“ ein – rotes Fleisch als „wahrscheinlich“. Der Grund: Ein hoher Konsum (mehr als 300 Gramm pro Woche) steigert das Risiko für Darmkrebs. „Ja“, bestätigt Jana Meixner, „auch eine aktuelle Übersichtsarbeit kommt zu diesem Schluss.“ Erschreckend: Nur 100 Gramm mehr rotes Fleisch täglich zu essen bedeutet, dass rund vier zusätzliche Darmkrebsfälle pro 1.000 Männer – bei Frauen zwei bis drei – auftreten. Noch höher fällt das Risiko bei verarbeitetem Fleisch wie Wurst oder Schinken aus.
Rotes Fleisch und Wurst nur in Maßen essen!
3. MYTHOS:
Hebt Johanniskraut die Stimmung?
Johanniskraut ist als natürlicher Stimmungsaufheller bekannt – und das nicht ohne Grund. „Ja“, sagt Jana Meixner, „Studien belegen, dass Johanniskraut Symptome einer leichten bis mittelschweren Depression besser lindert als ein Placebo – und ähnlich wirksam ist wie Antidepressiva.“
Trotzdem mahnt sie zur Vorsicht: „Es handelt sich zwar um eine pflanzliche Arznei, aber dennoch um ein Medikament mit Nebenwirkungen.“ So macht es die Haut empfindlich gegenüber Sonnenlicht und beeinflusst auch die Verstoffwechslung anderer Medikamente.
4. MYTHOS:
Helfen Detox und Entschlacken beim Entgiften?
Ob Entschlackungskuren, Safttage oder Pulver – Detox liegt im Trend. Doch bringt es wirklich etwas? „Nein“, sagt Jana Meixner deutlich. „‚Detox ist ein unscharfer Begriff. Welche Gifte entfernt werden sollen und wie, bleibt meistens offen.“ Tatsächlich erledigt der Körper die Entgiftung ganz von selbst – über Leber, Nieren, Darm, Haut und Lunge.
Auch die sogenannten Schlacken, die entfernt werden sollen, sind medizinisch nicht bekannt. „Was eine Schlacke ist und woraus sie besteht, weiß niemand“, so Meixner.
5. MYTHOS:
Schützt grüner Tee vor Krebs?
Grünem Tee wird oft eine krebshemmende Wirkung zugeschrieben. Verantwortlich gemacht werden sogenannte Catechine – sekundäre Pflanzenstoffe, die dem Tee seinen leicht bitteren Geschmack verleihen. Doch laut aktueller Studienlage bleibt der Beweis aus.
„Selbst bei Menschen, die über viele Jahre hinweg täglich mehrere Tassen grünen Tee trinken, lässt sich kein geringeres Krebsrisiko feststellen“, erklärt Jana Meixner.
6. MYTHOS:
Gojibeeren und Chiasamen – Superfood mit Superwirkung?
Superfoods wie Gojibeeren oder Chiasamen gelten als wahre Gesundheits-Booster. Sie sollen angeblich Körpergewicht, Blutzucker und Cholesterinspiegel regulieren – manche sogar vor Krebs schützen. Doch laut Dr. Meixner liefern Studien bisher „keine verlässlichen Aussagen dafür“.
Sie betont: „Wahrscheinlich lassen sich exotische Lebensmittel besser bewerben.“ Wer jedoch echte, regionale Alternativen sucht, wird fündig: „Leinsamen oder Nüsse sind ebenfalls nährstoffreich und aus Österreich erhältlich.“
7. MYTHOS:
Ist ein Glas Rotwein pro Tag gesund?
Der Ursprung dieses Mythos liegt im sogenannten Französischen Paradox: Trotz fettreicher Ernährung haben Französinnen und Franzosen vergleichsweise wenige Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Man vermutete, dass der regelmäßige Genuss von Rotwein – genauer gesagt das darin enthaltene Antioxidans Resveratrol – dafür verantwortlich sei. Doch Meixner widerspricht: „Einen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen können aktuelle Studien nicht nachweisen.“ Der Grund für frühere positive Ergebnisse? „Fehlerhafte Auswertungen.“
Das klare Fazit der Wissenschaft: „Größere Mengen Alkohol schaden dem Körper.“ Auch beim Rotwein.
8. MYTHOS:
Stärken Multivitaminpräparate das Immunsystem?
Ob als Brausetablette oder Kapsel – viele greifen zu Multivitaminen, um ihr Immunsystem zu unterstützen. Doch der Nutzen ist fraglich. „Für gesunde Menschen bringen solche Präparate in der Regel keinen Vorteil“, sagt Jana Meixner. „In Europa sind wir mit Vitaminen gut versorgt – mit Ausnahme vielleicht von Vitamin D und B12 bei veganer Ernährung.“ Gerade Vitamin C gilt als Immun-Booster. „Zu Unrecht“, so Meixner. „Es ist in der normalen Ernährung ohnehin reichlich enthalten. Ein zusätzlicher Nutzen konnte in Studien nicht belegt werden.“
Bei manchen Vitaminen kann eine übermäßige Zufuhr sogar schaden. „Bei hochdosiertem Vitamin E gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs bei Männern. Und Vitamin A kann das Lungenkrebsrisiko für Rauchende erhöhen.“
Fotos: iStock by GettyImages, beigestellt